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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Zapfenstreich in der Dorfgaststätte „Zur alten Post“ anzukommen. Nur beiläufig, aber doch zu meiner Verwunderung, berichtete mir Böhnke, dass im Straßenverkehrsamt für den Kreis Düren rund fünfzig rote VW Golf registriert seien. Er hatte also meiner Beobachtung doch mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als er zu erkennen gegeben hatte.
    „Und noch was“, fuhr er ruhig fort. „In dem Pornoheftchen von Renate Leder fehlen Seiten. Jemand hat das Doppelblatt in der Mitte aus der Heftung gebröselt.“ Er schmunzelte. „Ich muss schon sagen, meine Assistenten sind sehr aufmerksam gewesen.“ Ob mich dieses Wissen weiterbringen würde, wagte ich doch sehr zu bezweifeln. Ich kickte einen Stein von der Fahrbahn, der im fahlen Licht einer Straßenlaterne zu erkennen war, und konnte froh sein, dass mein unkontrollierter Schuss knapp an einem abgestellten Auto vorbeiflog.
     
     
    Der Wirt schaute nicht gerade begeistert drein, als wir zu relativ später Stunde kurz vor seinem nächtlichen Feierabend in das Lokal eintraten. Doch hellte sich seine Miene sofort auf, als er Böhnke erkannte. Das Bier sei schon in Arbeit, meinte er freundlich zur Begrüßung, ohne auf unsere Bestellung zu warten, und bot uns am Tresen zwei Hocker an.
    Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal an einer Theke ein Bier geschlürft hatte. Aber heute war mir alles egal, wenn ich bloß nicht mehr in die vermaledeiten Bücher von Fleischmann hineinzuschauen brauchte.
    Böhnke war ebenso wie ich nicht sonderlich gesprächig. Bis auf ein knappes „Prost!“ saß er schweigend neben mir und schaute dem Wirt zu, der umsatzfördernd mit den wenigen anderen Gästen über die drastisch steigenden Abwassergebühren diskutierte und dabei gehörig auf den Regierungspräsidenten in Köln schimpfte.
    Uns nahmen die Stammtischler und Thekensteher nicht übermäßig zur Kenntnis. Manch einer hatte dem Kommissar andeutungsweise zum Gruße zugenickt und sich dann wieder abgewandt. Offenbar ließ man uns in Ruhe, weil wir nicht zu ihnen gehörten und wir keine Anzeichen machten, uns an der geselligen Runde zu beteiligen.
    Ich empfand die Atmosphäre dennoch als angenehm, man ließ uns gewähren, wie wir wollten, ohne uns zu etwas zu nötigen.
    Nach langen, schweigsamen Minuten fragte Böhnke nahezu nebensächlich: „Und was haben Sie heute den ganzen Nachmittag über getrieben?“
    Langsam griff ich zum Bierglas und nippte kurz an dem Pils. Ich hatte keine Eile mit der Antwort. „Gelesen“, sagte ich bedächtig, mehr fiel mir einfach nicht ein.
    „Und was?“ Böhnke ging mein langsames Tempo mit. Wie ich beobachtete er ununterbrochen den agilen Wirt. Seine Fragen und meine Antworten waren scheinbar unerhebliche Randnotizen. „Fleischmanns Romane.“ Mir selbst kam diese Antwort nichts sagend vor, aber ich wusste nichts anderes zu sagen. „Alle sechs“, fügte ich dann doch noch hinzu. „Und?“
    Lange schwieg ich wieder. „Nichts.“
    „Gar nichts?“, hakte der Kommissar provozierend gelangweilt nach. „Fast gar nichts.“
    Die nächste Frage war programmiert. Ich überlegte mir schon die Antwort, bevor Böhnke sie stellte. „Was ist fast gar nichts?“
    Ich richtete mich auf, stellte das Bierglas ab und rieb mir die Augen. „Fast gar nichts, es handelt sich um fünf unbedeutende Fehler, die beim Redigieren eines Textes immer wieder einmal vorkommen können.“
    „Was?“ Böhnke sah mich ungläubig an. „Was ist Ihnen aufgefallen, das mir entgangen sein soll?“ Anscheinend hatte ich durch meine Behauptung, Fehler entdeckt zu haben, die er offenbar übersehen hatte, einen unehrenhaften Angriff auf seine Kriminalistenehre gestartet.
    Es sei nichts Besonderes, meinte ich beschwichtigend, die Fehler seien nicht der Rede wert und würden wahrscheinlich den wenigsten Lesern überhaupt auffallen, wenn schon der Autor und seine Lektorin sowie ein gewiefter Kommissar sie nicht bemerken würden.
    Das kurze Flackern in Böhnkes Augen zeigte mir, dass ich ihn mit meiner Bemerkung gekitzelt hatte. „Ich will wissen, was Sie gefunden haben“, knurrte er, „machen Sie es nicht so umständlich, verdammt noch mal!“
    Ich verstand seine grantige Reaktion nicht. Sie konnte wohl nur damit zusammenhängen, dass er wie ich zu wenig Schlaf und zu viel Arbeit hatte. „Na gut“, meinte ich besänftigend und bat den Wirt um einen Block und einen Kugelschreiber.
    Nach kurzem Überlegen hatte ich die fünf kleinen Fehler wieder zusammen:

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