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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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trauen, seine Zusage zurückzunehmen. Doch scherten mich die unausgesprochenen Bedenken des Kommissars nicht sonderlich. Ich winkte ihm, mit dem Haustürschlüssel in der Hand, freundlich nach, als er als Beifahrer Böhnkes nach Heerlen zurückfuhr.
    In knapp fünf Stunden, etwa gegen 22 Uhr, so hatten wir ausgemacht, würden mich die beiden Polizisten abholen; bis dahin hatte ich gewissermaßen freie Bahn.
    Leise vor mich hinpfeifend schloss ich die Haustür auf und trat in den pompös ausgestatteten Flur, in dem es nach abgestandener Luft roch. Schnurstracks eilte ich die Treppe hinauf in van Dykes Arbeitszimmer und öffnete dort zunächst einmal das Fenster. Der Ausblick in die grüne Natur war nicht nur schön, er war zugleich beruhigend und entspannend. Auf der Weide, die sich bis ins Tal erstreckte, lagen dösend einige Rindviecher und ließen sich von der noch wärmenden, nachmittäglichen Sonne des goldenen Oktobers bescheinen. Manche schienen gelangweilt zu mir aufzublicken, als sie mich im Fensterrahmen stehen sahen, doch hatten sie schnell das Interesse an mir verloren und käuten unbeeindruckt wieder.
    ,So ein Hornochse hat es gut’, dachte ich mir, als ich mich an den Schreibtisch setzte und mich konzentriert umschaute.
    Mit dem Wissen, dass van Dyke und Fleischmann ein und dieselbe Person waren, fiel es mir leichter, die Gemeinsamkeiten zwischen den so unterschiedlichen Arbeitsplätzen des zwielichtigen Schreiberlings zu finden, wobei ich ungeprüft unterstellte, dass der Kerl alles andere als eine gespaltene Persönlichkeit war. Er hatte wahrscheinlich nur sein Leben getarnt, entweder als armer Poet oder als erfolgsverwöhnter Produzent von pornografischen Schriften.
    Die Gemeinsamkeiten waren augenscheinlich, die Ordnungsliebe gab es in diesem prunkvollen Arbeitszimmer ebenso wie in der kargen Schreibstube in Aachen. Fein geordnet lagen die Stifte und das Papier in den Behältern. Die Kassetten, Bücher und Ordner standen gerade aufgereiht in den Regalen. Auch in dieser Wohnung hatte der Autor auf ein Telefon verzichtet. Wer sich, wie ich, nicht blenden ließ von der üppigen Pracht, die den Reichtum des Besitzers nicht verhehlte, erkannte durchaus die Strukturen, nach denen Fleischmann sein Arbeitsleben organisiert hatte. Er liebte es klar, überschaubar, griffbereit und schnörkellos, allen widersprechenden Äußerlichkeiten dieses Zimmers zum Trotz, insofern war er sich in seiner beruflichen und äußerlichen Zwiespältigkeit durchaus treu geblieben.
    Ich hielt mich nicht lange an den Büchern und Aktenordnern auf, sondern schaltete zielstrebig den Computer an. ,Dann wollen wir einmal’, redete ich zuversichtlich mit mir, während der Rechner langsam hochfuhr. Geduldig betrachtete ich den sich aufhellenden Bildschirm und öffnete interessiert die verschiedenen Koffer, die abgelichtet wurden. Die Dateien waren übersichtlich gegliedert. Mich wunderte nur, dass Fleischmann in der Lage war, sich in niederländischer Sprache ebenso wie in Deutsch auszudrücken. Die pornografischen Texte waren in der Mehrzahl in Niederländisch geschrieben, die Korrespondenz mit Verlagen dagegen vornehmlich in Deutsch. Die Informationen, die sich vor mir öffneten, waren sicherlich interessant, aber gaben mir keine unmittelbaren Aufschlüsse über Fleischmann und über einen eventuellen Grund, weswegen er gezwungenermaßen aus dem Lebensspiel ausscheiden musste.
    Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und atmete tief durch. ,Wie war das noch gewesen mit der versteckten Datei im Aachener Computer Fleischmanns?’, fragte ich mich. Mit der Maus gab ich dem Computer meine Befehle und hatte das Gesuchte schnell gefunden. Wie ich nicht anders erwartet hatte, hatte Fleischmann dasselbe Passwort genommen; den Namen des fiktiven Bürgermeisters, der im wahren Leben Gerstenkorn war.
    Gespannt wartete ich auf die Geheimnisse, die sich mir hoffentlich bald auftaten. Verblüfft schaute ich auf den Bildschirm, auf dem eine nahezu unüberschaubare Anzahl von neuen Koffern aufleuchtete. Viele konnte ich anhand der Bezeichnungen schnell identifizieren, in etlichen Koffern befanden sich einzelne Romane oder Texte, wie ich den Namen entnahm.
    Bei anderen Namen stutzte ich: Gerstenkorn, Langerbeins, Leder, Schmitt, Schranz, Wagner, Willibald, Zahn las ich neben einigen niederländischen Namen. Offenbar für jede Person, die für ihn irgendeine Bedeutung hatte, hatte Fleischmann eine eigene Datei angelegt.
    Hinter Leder steckte die

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