Der Grenzgänger
Inneneinrichtung war restlos zerstört. Nichts konnte gesichert werden.
Die beiden limburgischen Tageszeitungen hatten ausführlich über die mysteriöse Brandstiftung in der gut bürgerlichen Villengegend geschrieben, ohne allerdings auf meine Anwesenheit oder die Identität von van Dyke einzugehen. Vermutlich hatte die Presse auf Bitten der Polizei zurückhaltend über van Dykes Leben berichtet. Diesen Eindruck hatte jedenfalls Böhnke nach seinem Gespräch mit Bloemen gewonnen.
Einen glatten Durchschuss der linken Hand hatten die Ärzte im Heerlener Krankenhaus bei mir diagnostiziert. Da fielen die leichte Gehirnerschütterung, die Prellungen und Schürfwunden als zusätzliche Sturzfolgen nicht weiter ins Gewicht. Die Ärzte versorgten und verbanden mich und schoben mich zwei Tage später nach Aachen ab; auf meinen Wunsch hin ins Luisenhospital. Das Klinikum schien mir für meine Verletzung einfach eine Nummer zu groß. Ich hatte nichts anderes zu tun, als abzuwarten, bis die Verletzung ausgeheilt war, dafür brauchte ich keinen hochwissenschaftlichen, medizinischen Apparat. Außerdem, aber das behielt ich für mich, war ich so in der Nähe meiner Mandantin, der bemitleidenswerten Renate Leder. „Sie haben verdammt viel Schwein gehabt“, meinte Böhnke, der meine vermeintliche Gelassenheit bewunderte. „Ein paar Zentimeter tiefer und weiter links und Sie hätten wahrscheinlich ein ernsthaftes Problem mit dem Herzen bekommen. Da wäre nicht viel von Ihnen übrig geblieben.“
Sollte ich mich deswegen aufregen? Ich hatte keine Zeit, mich zu bedauern. Vielmehr freute ich mich über mein Glück. Zwar beunruhigte mich der Versuch irgendwelcher Ganoven, mich ins Jenseits zu befördern, doch war dieser Versuch erfreulicherweise misslungen, was mir die Gelegenheit bot, mich auf die Suche nach dem oder den Übeltätern zu machen. Das war mir immer noch lieber, als jemand anderen wegen meines Ablebens mit dieser Aufgabe betreut zu wissen.
„Es ist doch wohl klar, dass die Brandstiftung und der Schuss auf meine Wenigkeit kein Zufall waren“, meinte ich zu Böhnke. „Da besteht mit Sicherheit irgendein Zusammenhang mit unserem Freund Renatus Fleischmann. Oder?“ Ich sah den Kommissar fragend an.
Er nickte bestätigend. „Davon können wir wohl ausgehen.“ Aber dies sei die einzige Erkenntnis, die er inzwischen habe. „Bloemen und seine Kollegen haben nicht sonderlich viel gefunden, das auf den oder die Täter schließen lassen könnte“, berichtete Böhnke von den Ermittlungen in Ubach over Worms. „Anscheinend haben sich die Brandstifter unbemerkt ins Haus geschlichen, Sie eingeschlossen und den Brand gelegt. Außerdem muss sich einer von ihnen oder der Einzeltäter auf der Kuhweide auf die Lauer gelegt haben, um mit einem Gewehr auf Sie zu schießen.“
Es blieb eine Frage offen: Woher hatten die Ganoven den Schlüssel zu van Dykes Haus und zum Arbeitszimmer? Die Antwort darauf hatte weder der Kommissar noch ich.
Ich lehnte mich in das Krankenbett zurück und schloss die Augen. Böhnke hatte mir nichts Neues erzählt, sondern lediglich die Vermutungen bestätigt, die Dieter und ich bereits aufgestellt hatten.
Mein Freund hätte am liebsten sofort unsere Frauen von ihrer Musicaltour im Norden zurückgeholt, als ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde.
Aber ich hatte ihn von dieser Absicht abbringen können. „Ich habe hier meine Ruhe und du kannst ungestört deine Kanzlei leiten. Was willst du mehr?“, hatte ich ihn gefragt und er war mir eine Antwort schuldig geblieben.
Lange hatte ich überlegt, ob ich Sabine überhaupt von dem Attentat auf mich berichten sollte. Am Vorabend hatte ich sie dann doch in ihrem Hotel angerufen und ihr mein schmerzvolles Abenteuer erzählt.
Sie hatte mir schweigend zugehört und schwieg noch länger, als ich ihr sagte, sie solle in Hamburg bleiben. „Wenn du willst“, hatte sie schließlich langsam und zögernd gesagt, „aber nur, wenn du mir versprichst, bald mit mir nach Mallorca zu fliegen.“
Erpressungen dieser Art, und dann noch von meiner Liebsten, ließ ich mir gerne gefallen. Sie passten gut in meine Planung. Außerdem, so fügte Sabine nach meiner Zusage hinzu, käme sie mit Do ohnehin in spätestens drei Tagen nach Aachen zurück. „Du siehst ja, was passiert, wenn ich dich einmal nicht unter Kontrolle haben.“
Der nächste Besucher ließ nicht lange auf sich warten. Ich kam einfach nicht dazu, mich auszuschlafen oder etwa noch einmal
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