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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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umfangreiche Korrespondenz, die der Autor mit der Lektorin geführt hatte, wie ich nach dem Anklicken erkannte. Die Briefe waren nach dem Datum geordnet. Der letzte Brief war knapp zwei Wochen alt. Ihn würde ich mir noch anschauen, nahm ich mir vor, bevor ich diese Datei wieder verließ. Bei Wagner würde es nicht anders als bei Renate sein, dachte ich mir. Was allerdings mit Gerstenkorn und Langerbeins war, darauf war ich gespannt. Auch Schranz und Willibald interessierten mich mehr als der Verleger und die Lektorin. Die Vermutung lag nahe, wer und was sich hinter diesen Namen verbarg.
    Leise vor mich hinpfeifend klickte ich „Langerbeins“ an und stieß auf eine ellenlange Liste von Texten. Es würde Stunden dauern, sie alle durchzulesen, stöhnte ich, als ich den Obersten in der Reihe öffnete. Ich traute meinen Augen nicht, als ich las, was Fleischmann in einem Brief an Langerbeins geschrieben hatte, andererseits hatte ich damit rechnen müssen.
    Erst nach zweimaligem Lesen verstand ich den Inhalt: Fleischmann verlangte in dem Brief an Langerbeins unumwunden, er möge ihm Informationen aus der Polizeibehörde und über Gerstenkorn besorgen, anderenfalls würde er publik machen, dass der Polizist in Pornofilmen mitgewirkt hat. Langerbeins hatte, wie Fleischmann behauptete und damit wohl auch wusste, die entsprechenden Beziehungen. „Auch die abendlichen Parties mit den Damen haben Ihnen ebenso wie Ihrem Freund sehr gefallen. Gerne lasse ich Ihnen eine Kopie der Videos zukommen, die ich aufgenommen habe“, schrieb Fleischmann übertrieben höflich.
    Ich nannte dieses Vorgehen kriminell, das war pure Erpressung. Doch würde das Verbrechen zwangsläufig ungesühnt bleiben. Ich machte mir nicht die Mühe, den Brief auszudrucken. Das war Aufgabe der niederländischen Polizei.
     
     
    Ich schickte den aufschlussreichen Brieftext zurück in die elektronische Sammelmappe und wollte den nächsten anklicken, als ich den beißenden Brandgeruch wahrnahm. Vom Flur musste er kommen. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich den hellen Qualm, der langsam durch die Türritze über den Boden in das Zimmer kroch und an der Wand entlang zur Zimmerdecke stieg. Es roch verbrannt, jetzt hörte ich es auch knistern. Offenbar brannte das Treppenhaus und es war nur noch eine Frage von wenigen Minuten, bis die Flammen sich in diesen Raum hineingefressen hatten.
    Rasch ging ich zur Tür und drückte vorsichtig die Klinke herunter. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen, jemand hatte sie von außen verriegelt und mich in dem Zimmer eingesperrt. Zu meinem Glück, fiel mir erschrocken ein. Falls ich die Tür tatsächlich geöffnet hätte, wäre ich wahrscheinlich von einer Feuerwalze erfasst worden. Jedenfalls glaubte ich mich an die Anweisung der Feuerwehr zu erinnern, im Brandfall niemals oder nur nach besonderen Vorkehrungen eine Tür zu öffnen, die zum Feuer führte. Ich überlegte nicht lange, eilte zum Fenster und suchte nach einer Ausstiegsmöglichkeit. Das Rankgitter für die Kletterrose bot sich geradewegs als Fluchtweg an. Ohne zu zögern, schwang ich mich auf den Sims, griff nach dem bewachsenen, fest verankerten Drahtgestell und hangelte mich langsam ab.
    ,Da hast du noch mal Schwein gehabt, mein Freund’, freute ich mich mit mir selbst. Doch war ich wohl etwas voreilig gewesen. Ich hörte noch den lauten Knall und bemerkte den heißen, stechenden Schmerz in der linken Hand. Unwillkürlich ließ ich das Gitter los, ich spürte, dass ich fiel, während ich einen zweiten Schuss vernahm und einen klatschenden Einschlag in das Mauerwerk.
    Der Aufprall auf den weichen Boden schmerzte nicht einmal. Mich überfiel ein fast schon wohliges Gefühl. Ich war ruhig, zufrieden und wollte nur noch schlafen.
    Dann war es still und dunkel um mich.

Angsthasen
     
     
     
    „Sie kann man auch keine drei Stunden alleine lassen, ohne dass ein Unglück passiert.“ Die bärbeißige Art, in der Böhnke mich tadelte, gab mir große Zuversicht. So schlimm konnte es nicht um mich bestellt sein, anderenfalls hätte der Kommissar wahrscheinlich mit traurigem Blick und stumm neben mir am Krankenbett gehockt.
    Ich hatte Glück im Unglück gehabt. Wenige Minuten nach meinem erzwungenen Ausstieg aus dem Fenster und dem Sturz ins Gebüsch neben dem Haus hatten mich Feuerwehrleute gefunden und für meinen Transport in ein Krankenhaus gesorgt. Für mich bestand weitaus mehr Hoffnung als für das Haus Fleischmanns. Es brannte vollkommen aus, die

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