Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
den Kopf aus dem Fen ster zu strecken. Wir erreichten Cuzco in der Dunkelheit und gingen direkt in die nächste Bar auf eine Flasche Cuzqueña Malta.
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Haben sie keine A - Angst …
Als nächstes nahmen wir einen Bus nach Puno, das an der Kü ste des Titicacasees liegt. Nach unserem fünftägigen Marathon war eine einzelne Nachtfahrt gar nichts. Wir lehnten uns zurück und versuchten zu schlafen, diesmal gut eingepackt gegen die Kälte. Mark, der sowieso zu groß war, um in seinen Sitz zu passen, saß neben einer korpulenten Campesina , die ständig einem ihrer drei Kinder die Brust gab. Er stöhnte angesichts des bevorstehen den Kampfes um Platz zum Schlafen. Um rund 10 Uhr hielten wir zum Essen. Jeder raste hinein, um rechtzeitig zu bestellen.
Hinter uns war eine Gruppe Israelis; die beiden Mädchen liefen auf die Toilette – um völlig schockiert wieder aufzutauchen. Der Boden der Zelle war ein 15 cm tiefer See aus Scheiße. „Aber wir müssen aufs Klo“, sagten sie verzweifelt zu Melissa. Melissa deutete zur Reihe der Frauen auf der anderen Straßensei te hinüber. Die Israelis schauten entsetzt hin.
Als wir wieder in den Bus stiegen, wirkten die andern Passagiere ungewöhnlich aufgeregt. Hinter uns saß eine Frau mittleren Alters in westlichen Kleidern und mit zu viel Schminke. Ihr Haar war hoch aufgetürmt. Sie tippte Melissa ungeduldig auf die Schultern. „Dinero“ , zischte sie und deutete auf ein dickes Bündel US-Dol lar-Scheine in ihrer Hand. „Geld.“ Plötzlich stopfte sie sich das Bündel in die Haare, wo es wie durch Zauberei verschwand. Der Mann auf der anderen Seite des Gangs zappelte nervös in seinem Sitz und griff nach Melissas Arm. „Dinero“ , echote er. Er machte eine Messerbewegung quer über seinen Hals. Wir waren immer noch verdutzt. Er zog einen Nagelknipser hervor und hielt ihn Melissa unter die Nase. „ Dinero “, wiederholte er.
Versuchte er, uns auszurauben? Mitten in einem überfüllten Bus – mit einem Nagelknipser? Das schien unwahrscheinlich. Aber was versuchte er zu sagen? Er zog seine Tasche aus dem Gepäcknetz und öffnete sie gerade soweit, dass Melissa und ich einen Blick auf die Pistole darin werfen konnten. „ Sendero “, flüsterte er.
Er schloss die Tasche und starrte uns grimmig an, um zu sehen, ob wir verstanden hatten. Wir verstanden das Wort Sendero , und es klang nicht gut. In diesem Augenblick kam ein gutgekleideter Mann näher, der ein paar Reihen weiter hinten gesessen hatte. Er sprach etwas Englisch.
„Haben Sie keine A-Angst“, sagte er beruhigend, „aber da sind einige Banditos , in Santa Rosita, wo wir in zwei Stunde sein werden. Jeden Bus in den letzten vier Nächten haben sie a-ausgerrr- raubt.“ Zur Betonung ließ er das „r“ besonders deutlich rollen. „ Sendero? “, fragte ich. „Nein, nicht Sendero . Nur Banditos . Sie töten euch nicht. Sie rr-rauben euch nur aus. Jeder Passagier muss ihnen 50 Dollar geben. Wenn nicht …“ Er dachte darüber nach. „ Dann werrrden sie euch vielleicht töten.“
„Also dann bin ich geliefert“, sagte Mark. „Ich hab keine 50 Dollar.“ Wir sahen uns im Bus um. Jeder war damit beschäftigt, Geld in aufgerissenen Sitzen oder Geheimtaschen von Taschen und Jacken zu verstecken. Frauen stopften Banknoten in ihre Bü stenhalter. Wir staunten darüber, wie viele US-Dollars wir sahen.
Anscheinend hatte das Personal im Restaurant die Überfälle bei läufig erwähnt, als wir angehalten hatten. „Merkwürdig, dass die Busgesellschaft vergessen hatte, den Leuten das zu sagen, als sie die Fahrkarten verkauft haben“, sagte Mark.
Als der Bus in die Dunkelheit fuhr, herrschte noch immer ner vöse Aktivität. Melissa knuffte mich in die Rippen. „Gib mir dein Taschenmesser“, verlangte sie. „Ich glaube nicht, dass ein Taschenmesser viel nützen wird“, sagte ich. Die Konversation klang vertraut. „Also es wird mehr nützen als du “, entgegnete sie. „Sie verge waltigen Frauen, weißt du. Also gib‘s mir einfach.“ Ich gab ihr das Taschenmesser. Hinten im Bus lachten und witzelten die Israelis. Also ging Melissa nach hinten, um ihnen zu sagen, dass sie bald ausgeraubt, vielleicht ermordet und wahrscheinlich vergewaltigt werden würden. Sie wurden still. Der Fahrer trat auf die Bremse.
Irgendetwas blockierte den Weg. Draußen hörten wir Stimmen. Der nervöse Mann mit dem Nagelknipser sprang in Panik auf die Füße und kreischte. „Esta es.“ Das ist es. Mein Herz machte
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