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Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
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und sehen, was sich in dem Stall verbarg, aus dem unentwegt dieser Klangteppich des nervösen Gackerns und Flatterns drang. Der Landwirt, der sich inzwischen dazugesellt hatte, erlaubte mir einen kurzen Blick hinter die Kulissen. »Aber ziehen Sie lieber Stallschuhe an«, warnte er mich. Ich zögerte zunächst, denn ich trug ohnedies robuste Schuhe, die mich bereits über unwegsameres Gelände als einen Hühnerstall getragen hatten. »Es ist aber alles voll mit Kot, da werden Sie richtig einsinken.« Nun gut, dachte ich mir, während ich meine eigenen Schuhe aus- und die Gummischuhe anzog. Wir näherten uns der hölzernen Stalltüre. Ich vernahm aufgeregtes Scharren und Kratzen an den Außenwänden. Die Türe klemmte ein wenig. Der Landwirt rüttelte heftig an ihr und sie ging auf. Sofort schlug mir ein lauwarmer, feuchter Dampf entgegen, der mir stechend in die Nase schoss. Die Luft war trüb und aufgewirbelt, es roch scharf. Ich trat über die Türschwelle und tat ein paar Schritte in den Stall. Drinnen hielt ich inne, versuchte, so wenig wie möglich zu atmen, und gab mein Bestes, um meine Überraschung zu verbergen. Ich stand am Rande eines regelrechten Hühnerteppichs ohne Ende. Die Tiere flatterten, hockten und gackerten überall. Sie quollen förmlich aus allen Ecken und Enden. Die Halle war mit rotem Dämmerlicht ausgestattet. Das wirke beruhigend und erhöhe die Legeleistung, wurde mir erklärt. Ich schnappte nach Luft, bekam aber keine. So etwas hatte ich mir unter einem »Bio-Bauernhof« einfach nicht vorgestellt.
    »Wie viele Hennen werden denn hier gehalten?«, fragte ich in neutral gehaltenem Ton. »Derzeit sind es fünfzehntausend Stück in fünf Stalleinheiten«, bekam ich ebenso neutral zur Antwort. »Aber wir bauen gerade aus. Bald werden wir insgesamt achtzehntausend Hennen haben.« – »Achtzehntausend?«, wiederholte ich. – »Ja, achtzehntausend«, war die Antwort. Das ergibt eine Ausbeute von etwa siebzehntausend Bio-Eiern pro Tag – mehr als sechs Millionen Stück im Jahr. Die Ware ist nicht etwa für Bio-Läden bestimmt, sondern geht an einen riesengroßen Geflügel- und Eierkonzern in Schlierbach und von dort weiter an die Bio-Handelsmarken mehrerer österreichischer Supermärkte – dieselben Eier, unterschiedlich verpackt und mit verschiedenen hübschen Logos beklebt.
    Hier legen Hennen für österreichische Supermarktkonzerne ihre Bio-Eier über automatische Nester auf ein Förderband.
    Szenenwechsel: Ich befand mich in einem Bio-Mastbetrieb in der Steiermark, wo in zwei Stalleinheiten neuntausendsechshundert Masthühner lebten, die vertraglich der Fleischindustrie verschrieben waren. Nach wochenlanger Erkundung der heimischen Bio-Geflügelbranche war ich an den Gestank der vollgestopften Großraumhallen bereits gewöhnt. Ich blickte durch die geöffnete Tür in den Stall. Das Bild, das sich mir offenbarte, kannte ich ebenfalls bereits. Es war immer dasselbe: eine große Halle, ganz ohne bäuerlichen Charme, darin dicht gedrängte Masthühner. Strukturlos und ohne ausreichende Beschäftigungsmöglichkeit. Die Tiere bedeckten den Boden, von dem ich kaum etwas zu sehen bekam, wie ein lebendiger, gackernder, flatternder Teppich.
    Bio-Masthühner am »Bio-Bauernhof«. Die Elemente der Masthalle werden von einem Computer überwacht und gesteuert, der mit dem Zentralcomputer eines Geflügelkonzerns verbunden ist.
    Von der Decke hing eine elektronische Geflügelwaage in das Hühnermeer herunter. Über den Tag verteilt, springen zahlreiche Tiere auf die runde Wiegeplatte. Ein Sensor schickt die Daten an einen Zentralcomputer, der das jeweils aktuelle Durchschnittsgewicht der Masthühner errechnet. Die Ergebnisse werden Tag für Tag automatisch an den Geflügelkonzern weitergeleitet, unter dessen Vertrag produziert wird.
    So wissen die Mästerinnen und Mäster immer, wie profitabel ihre Riesenherde gerade ist, aber auch der übergeordnete Konzern hat vollste Kontrolle: »Ein Programm läuft im Hintergrund mit und speichert in unserer Zentrale die Daten von allen Vertragsmastbetrieben. Der Computer berechnet dann den optimalen Schlachttermin«, wurde mir vom Manager des steirischen Geflügelkonzerns Herbert Lugitsch und Söhne erklärt. »Wir dürfen die Hühner nämlich nicht zu schwer werden lassen. Dann müssten wir dem Mäster zu viel für seine Tiere bezahlen und die Schlachtkörper würden nicht mehr der Norm des Marktes entsprechen.« Dieses zentrale EDV-System sei, so erfuhr ich,

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