Der große Bio-Schmaeh
Hühnereier der Bio TM -Branche
Produktionszyklus für Masthühner und Mastputen der Bio TM -Branche
Im Supermarktregal ist dann auf dem Fleisch nur mehr der Name des Mastbetriebes oder, auf Eierverpackungen, der des Legebetriebes angegeben. Die zahlreichen vor- und nachgereihten Stationen werden den Käuferinnen und Käufern vorenthalten. Sie würden einfach nicht zu dem hübschen Bild der »Hühner vom Bio-Bauernhof« passen, an das wir glauben sollen. Stattdessen legt man lieber ein bäuerliches Familienfoto bei – natürlich mit Henne, die werbetauglich gestreichelt wird. Und auf die Lastwagen schreibt man: »Direkt vom Bio-Bauern«.
Ich begab mich auf ein bemerkenswertes Abenteuer. Ein wohlklingendes Zitat aus der Werbung spukte mir dabei ständig im Kopf herum: »Eier von überglücklichen Hühnern? – Ja, natürlich!«
Wie Bio TM -Küken das Licht der Welt erblicken
Ich hatte mir eine weiße Latzhose und einen weißen Mantel übergezogen – ganz nach Vorschrift. Die Hose war mir zu kurz, die weißen Hausschuhe zu groß. Die Kopfbedeckung – ebenfalls weiß – erinnerte mich an das Maurerhandwerk, doch der Betrieb, in dem ich mich befand, hatte mit dem Baugewerbe nichts zu tun. Das Ambiente wirkte stählern und steril, ähnlich wie in einem Labor. Ich blickte den langen Korridor entlang, der beiderseits von schweren Isolationstüren gesäumt war. In den dahinterliegenden Kammern wurde das Klima elektronisch gesteuert und kontrolliert. Überwachungsanlagen gaben zahlreiche Messwerte wieder, vor allem Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit, Ventilation und Kohlendioxidgehalt. Henne braucht man hier keine einzige, um Eier auszubrüten: »Wir simulieren im Grunde genau das, was auch in der Natur passiert«, erläuterte mir der Firmenchef. »Unsere Anlagen erzeugen denselben Temperaturverlauf, den auch eine Henne erzeugen würde, wenn sie brütet.« Mit der Brutleistung der Geflügelindustrie könnten Hennen jedoch nicht mithalten: Jede Woche verlassen insgesamt eine halbe Million Mastküken diese Brüterei und werden an die Fleischindustrie ausgeliefert. Ein Teil davon sind Bio-Tiere.
Was eine halbe Million lebender Küken bedeutet, begreift man vermutlich erst, wenn man sich das industrielle Megabrüten live angesehen hat. Nachdem der Hausherr eine der Brutkammern geöffnet hatte, schlug mir eine Wolke des Vogelgezwitschers entgegen. Die Zelle war regelrecht erfüllt von dem Gepiepe der Küken. Sie saßen zwischen zerbrochenen Eierschalen in Plastikkisten, die übereinander-getürmt waren. Jedes einzelne von ihnen hatte an diesem Morgen, nach einundzwanzig Tagen Brutzeit mithilfe des Eizahnes – das ist ein verhornter Höcker am Schnabel – die Schale aufgebrochen und war ans Licht geschlüpft. Doch ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die kleinen Vögelchen umsonst angestrengt hatten. So viel Mühe und dann dieses Erwachen als Eigentum der Bio-Großindustrie: Jetzt hockten sie, haufenweise, in ganz und gar unnatürlicher Umgebung.
Sie waren als Massenware auf die Welt gekommen. Und als solche würden sie ihr Leben lang behandelt werden. Auf Schiebewägen brachte man die Kisten mit den frisch geschlüpften Tieren in die Sortier- und Packhalle. Dort wurden sie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die offensichtlich unter enormem Zeitdruck standen, auf ein Fließband ausgelegt. Bei solch hohen Produktionsmengen muss es einfach ruck, zuck gehen. Die kleinen gelben Küken sausten, dicht gedrängt, auf der Industrieanlage dahin, so schnell und so zahlreich wie die Bio-Semmeln, die ich in den Backfabriken beobachtet hatte. Sie verschmolzen zu einem Kükenmeer, zu einem gelben, flauschigen Federnteppich. Das Förderband transportierte die kleinen Tiere in die Zählanlage. Dort wurden sie automatisch auf drei schmälere Fließbänder aufgeteilt, die wahnsinnig schnell liefen. Zu schnell für das menschliche Auge, denn ich sah nur mehr verschwommene gelbe Farbkleckse auf der Maschine. Die vorbeiflitzenden Vögel hatten ihre Identität endgültig verloren, sie waren jetzt wirklich zu einem homogenen gelben Warenstrom geworden.
Auf diese Weise wurden die Küken durch eine computergesteuerte Zählmaschine geschossen. Am Ende des Förderbandes wurden sie über eine Kante regelrecht hinausgeschleudert und landeten eine Etage tiefer auf einem anderen Fließband, in einer Transportkiste.
»Das sind Vögel«, erklärte mir der Firmenboss, »deswegen macht es ihnen nichts, wenn sie so geworfen
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