Der große Bio-Schmaeh
Standard in der Bio TM -Branche, ebenso wie in der konventionellen.
Die Computer, die bei den Landwirtinnen und Landwirten im Technikraum stehen, können aber noch mehr, als das ununterbrochene Verwiegen der Hühnerkörper und das Versenden aller Daten ans Mutterschiff. Die Anlagen kontrollieren und steuern die Lüftung, die automatische Fütterung und die automatische Wasserversorgung in den Hühnerproduktionshallen. Ich traf in allen Mastbetrieben auf dieselben elektronisch geregelten Tränke- und Futterlinien, von denen die Ställe durchzogen waren und die mir auch aus konventionellen Massentierhaltungen bekannt waren. Überhaupt wunderte ich mich darüber, wie auffallend ähnlich die meisten Bio TM -Hühnermastanlagen aussahen. »Den Stallbau hat gleich der Geflügelkonzern durchgeführt, der uns unter Vertrag hat«, lieferte mir eine Mästerin die Erklärung für die Einheitlichkeit der Branche. Sie hielt mir einen Prospekt der steirischen Herbert Lugitsch und Söhne GmbH entgegen, der vor Vertragsabschluss überreicht worden war. Die Firma Lugitsch handelt nämlich – außer mit ihrem Produkt »Steirerhuhn«, einer wettbewerbsrechtlich geschützten Wort-Bild-Marke – auch mit den zur Hühnerhaltung im großen Stil notwendigen Stallsystemen. Übrigens auch mit Futter, das die Mästerinnen und Mäster nach Vertragsabschluss häufig aus den Händen der Firma mitbeziehen. Im Eiergeschäft ist der Konzern ebenfalls an vorderer Front dabei und tritt dort unter dem Namen Nest Ei auf. Ein eigenes Eier-Logistikzentrum gehört auch dazu. Den Massenmarkt für Bio-Geflügelfleisch teilt sich der Lugitsch-Konzern mit zwei weiteren Giganten, nämlich mit den Firmen Hubers Landhendl (Oberösterreich) und Wech Kärntner Bauerngeflügel. Alle drei produzieren vor allem konventionelles Fleisch.
Die Bio-Mastbetriebe, die ich besuchte, beherbergten zwischen fünftausend und knapp zehntausend Tiere. In Legebetrieben waren es dreitausend bis fünfzehntausend. Eine Landwirtin in der Steiermark, die Legehennen für die Bio-Industrie hält, erinnerte sich an die guten alten Zeiten: »Vor zwanzig Jahren begannen wir als unabhängige Bauern mit fünfhundert Hennen und konnten ein volles Einkommen damit erwirtschaften. Heute haben wir dreitausend Tiere im Stall, also sechsmal so viel. Damit zählen wir zu den Kleinsten der Branche.« Der Preisdruck sei jetzt am Bio-Massenmarkt so stark zu spüren, dass sich trotz der Betriebsvergrößerung auf das Sechsfache kein Vollerwerb mehr ausgehe, erklärte mir die Nebenerwerbslandwirtin. Ihr Mann müsse nun einer geregelten Arbeit nachgehen, damit die Familie über die Runden kommt. Ähnliches berichtete mir ein Hühnermäster in Kärnten, als er zwischen seinen beiden Hightech-Ställen mit insgesamt fast zehntausend Bio-Masthühnern stand: »Das Überleben der Mäster ist überhaupt nur mehr über hohe Stückzahlen möglich. Außerdem bin ich vertraglich an einen Geflügelkonzern gebunden, der die schlachtreifen Masthühner im Alter von etwa acht Wochen wieder abholt. Um in diesen Vertrag einzusteigen, musste ich zuerst einmal investieren, sonst könnte ich die geforderte Menge gar nicht produzieren. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.« Ein anderer Mäster beklagte den Druck, den er durch die Vertragsbindung an Geflügelkonzerne empfinde: »Es dreht sich alles um das große Geschäft.« Der überaus sympathische Mann trauerte seiner Zeit als selbstbestimmter Landwirt nach. Die strukturellen Veränderungen, sowohl in der konventionellen als auch in der Bio-Landwirtschaft, begünstigen das Entstehen von intensiver Bio-Tierhaltung. Weitaus intensiver, als es sich die Vorreiterinnen und Vorreiter der Ökolandbaubewegung jemals hätten erträumen lassen.
Bio-Putenmast: Die gesetzlich erlaubten 21 Kilogramm »Lebendgewicht« pro Quadratmeter werden in der Bio TM -Branche meistens vollständig ausgereizt.
Die Gesetzgebung hat sich für die Lebensqualität der Bio-Tiere nicht sonderlich ins Zeug gelegt. Während man in der konventionellen, also herkömmlichen Eierproduktion sieben Legehennen pro Quadratmeter Stallfläche halten darf, sind es in der kontrolliert biologischen sechs – also genau ein Tier weniger. Bio-Masthühner müssen sich einen Quadratmeter Stallfläche überhaupt zu zehnt teilen. Dies ergibt sich aus dem Gesetzestext, laut welchem in Mästereien einundzwanzig Kilogramm Lebendgeflügel pro Quadratmeter untergebracht werden dürfen. Das ist immerhin um ein gutes Drittel weniger, als
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