Der große Bio-Schmaeh
Auge. »Man stellt dar, was die Konsumentinnen und Konsumenten der Zielgruppe gerne hören oder sehen möchten. Die meisten Kunden wissen nicht einmal, dass auch in der Bio-Industrie oft Fertigbackmischungen zum Einsatz kommen.« Werbung sei perfekte Illusion, meinte er.
Für mich war es an der Zeit, eine neue Frage zu stellen. Eine, deren Beantwortung ich mit ein wenig Unwohlsein entgegentrat: Sie lautete: Wie wird in der industrialisierten Bio-Branche eigentlich mit Tieren umgegangen? Würden mich Parallelen zum »Umgang« mit Getreide und Brot erwarten? Ich ahnte, dass ich auf meinem nächsten Weg starke Nerven brauchen würde.
Das große Gackern im Todeskarussell
Von »überglücklichen Hühnern« und anderen gackernden Werbefantasien
Lebende Ware
Höher entwickelte Tiere können als Wesen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Fähigkeiten zur Eigenbestimmtheit betrachtet werden.Warengüter hingegen sind Produkte, die mit dem Vorsatz erzeugt werden, ihrem Hersteller durch Verkauf materielle Gewinne einzubringen. Um mit Tieren handeln zu können, muss erstens vorausgesetzt werden, dass Tiere in beliebiger Stückzahl Eigentum einer Firma sein können und dass sich zweitens für sie ein materieller Marktwert festlegen lässt. Während man sich in der Philosophie neuerdings wieder intensiver die Frage stellt, ob lebendige Tiere so ohne Weiteres zu Produkten gemacht werden dürfen, ist dieses Problem auf dem Bio-Massenmarkt offenbar längst geklärt: »Hier wird die Lebendware ausgeliefert«, erklärte mir in routiniertem Ton der Chef einer Brutfabrik, in der für die Bio-Industrie Hühnereier ausgebrütet werden. Ein LKW fuhr rückwärts an die Laderampe und öffnete routiniert schnell seine Heckklappe. Der Fahrer stieg aus, ein automatisches Tor rollte hoch und ein Mitarbeiter brachte auf einem Hubstapler eine Palette mit weißen Plastikkisten aus dem Fabrikkomplex. Dann noch eine und noch eine. So ging das eine Weile dahin. Der LKW-Fahrer übernahm die Türme und half bei der Verladung – Kisten über Kisten. Am Ende war der LKW voll. Doch nicht nur das Fahrzeug war gefüllt, auch die Plastikkisten waren es. In jeder einzelnen hockten – eingepackt bis zum Überquellen – jeweils hundert kleine Küken, die in der Nacht zuvor oder am Morgen geschlüpft waren.
»Jetzt wird die Lebendware an die Mastbetriebe ausgeliefert«, bekam ich erklärt. Der Laderaum des Wagens war geschlossen worden und das durcheinanderklingende Zwitschern der Küken drang jetzt nur mehr gedämpft an meine Ohren. Abtransport. Ich blickte dem LKW noch eine Weile hinterher und verabschiedete mich innerlich von den kleinen Neuankömmlingen auf diesem Planeten, von der »Lebendware« also, die ihre vorprogrammierte Reise durch die Maschinerien der Bio-Industrie angetreten hatte. Dies war mein erster Schritt in eine äußerst seltsame Welt – in eine Bio TM -Welt der automatischen Vogelnester, der Kükenfließbänder und der Todeskarusselle. Ein Imperium der holländischen Bruteier, der Hühnerrasse JA-757, der industriellen Fütterungsautomaten und der Kükenvernichtungsanlagen. In dieser Welt haben Bio-Landwirtinnen und Bio-Landwirte nichts mehr mit Bauerntum zu tun, so wie sich die meisten Konsumenten das vorstellen. Sie sind zu vertraglich gebundenen Hühnerfütterern expandierender Handelskonzerne degradiert worden.
Der Geflügelproduktionszyklus
Ich war neugierig darauf, welche Wege Bio-Eier sowie Bio-Hühner- und-Putenfleisch beschreiten, um schließlich fein säuberlich verpackt in den Supermarktregalen zu landen. Bevor ich Sie auf diese Reise mitnehme, ist es notwendig, ein wenig Theorie vorauszuschicken.
Die Produktionsschritte, die Legehennen, Masthühner und Mastputen in Österreich durchlaufen, sind zahlreich und komplex. Die Tiere durchwandern bis zur Endstation im Todeskarussell mehrere voneinander getrennte Schauplätze. Damit Sie in diesem Kapitel nicht die Orientierung verlieren, stelle ich Ihnen überblicksartig den Produktionszyklus für Bio-Geflügelfleisch und Bio-Eier vor. Und dazu müssen Sie eines schon im Vorfeld wissen: Wenn Sie heute in österreichischen Supermärkten biologisches Hühner- oder Putenfleisch bzw. biologische Eier kaufen, dann nehmen Sie nicht das Produkt eines Bauernhofes mit nach Hause, sondern ein Konzernprodukt, das während der zentral gesteuerten Produktion zwischen Fabriken und Landwirten hin und her geschoben worden ist – streng vertraglich geregelt.
Produktionszyklus für
Weitere Kostenlose Bücher