Der große Bio-Schmaeh
Bio-Rinderhälften hingen und darauf warteten, für
Ja!Natürlich
zerlegt und verpackt zu werden. Dann gingen wir an den Fließbändern der Packhalle vorbei in Richtung der eigentlichen Schlachthalle. Ich visierte die Türe an, die mich von nebenan trennte, und bewegte mich darauf zu. Mein Schritttempo verlangsamte sich wie von selbst. Ein Teil von mir sträubte sich dagegen, diese Türe zu öffnen. Als ich dann endlich davor stand, legte ich meine Hand auf die Klinke und drückte sie hinunter. Ich schob die Türe auf und mein Blick fiel auf ein junges braunes Schaf, das kopfüber an einem Haken hing. Noch lebte es, war aber nicht mehr bei Bewusstsein. Einer der Schlächter setzte ein großes, glänzendes Messer an die Kehle des Tieres und stach zu. Augenblicklich strömte ein Schwall des Blutes aus dem eröffneten Tierkörper und das Lamm begann, heftig mit einem Hinterbein zu zucken. Mit dem anderen hing es im Haken der Schlachtlinie. Es vollzog ausholende Drehbewegungen, als wolle es davonlaufen. Sein gesamter Körper schien sich schließlich aufbäumen zu wollen. Diese Nervenreflexe sind typisch in der Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Schweineschlachtung. In dem Moment, als der Halsstich vollzogen worden war, wurde auch schon das nächste Schaf auf der Schlachtlinie herunter zum Messerstich transportiert. So ging das ruck, zuck dahin und ein Tier nach dem anderen verlor vor meinen Augen sein Leben. Es waren noch hundertfünfzig Lämmer 40 in der Wartehalle zusammengepfercht, die an diesem Tag geschlachtet, gehäutet, ausgenommen und gekühlt werden mussten. Als ich am Rande dieser Ansammlung von Jungschafen stand, konnte ich nicht anders, als mehreren von ihnen in die Augen zu sehen. Ich erinnerte mich an die Küken, die zu einem anonymen Warenstrom verschmolzen waren. Mit diesen Schafen kam es mir so ähnlich vor: Sie waren Ladegut aus der Industrie, eine sogenannte Charge. Dicht gedrängt, versuchten sie, übereinander hinweg zu flüchten. Doch es gab keinen Ausweg und auch keinen Platz, sich fortzubewegen. Die Lämmer sickerten, eines nach dem anderen, in den sogenannten Antrieb, einen schmalen Gang, der eine Einbahnstraße darstellte. Von dort wurden sie den Arbeitern zugeführt, die am laufenden Band die Betäubung vornahmen. Einer von ihnen zerrte das Schaf, das an der Reihe war, aus dem Antrieb. Ein anderer Mann hielt es fest, um die heftigen Fluchtversuche zu unterbinden. Dann wurde der Bolzenschussapparat am Kopf des Tieres angesetzt. Dieses als »Betäubung« bezeichnete Verfahren kommt eher einem stumpfen Schlag auf die Schädeldecke gleich, durch den eine Art Schädel-Hirn-Trauma ausgelöst wird. Bevor der Schlachtschussapparat in den 1930er-Jahren in Bayern erfunden wurde, hatte man diesen Arbeitsschritt häufig mit dem stumpfen Ende einer Axt oder gar nicht vollzogen. Durch den Bolzenschuss verliert das Tier sein Bewusstsein, bleibt aber am Leben. Nach einer gewissen Zeit lässt die betäubende Wirkung des Schlages nach. Wenn das jeweilige Tier bis dahin nicht abgestochen und ausgeblutet worden ist, erlebt es seinen eigenen Tod bei Bewusstsein mit – kopfüber am Förderband hängend. Dass dies im hektischen Alltag der Industrieschlachthöfe vorkommen kann, ist bekannt. Die Fehlerquote wird toleriert. Ich stand nur einen halben Meter neben dem jungen Lamm, als der Bolzen krachend gegen dessen Schädel geschmettert wurde. Das Tier sackte zusammen. Seine Beine wurden in alle vier Richtungen auseinandergerissen, als es hart auf den Betonboden fiel. Dann wurde das Jungschaf mit den Hinterbeinen in die Schlachtlinie gehängt. Augenblicke später brach das nächste Schaf neben mir nieder und so weiter. Von draußen wurden weiter neue Lämmer aus einem Lastwagen in die Wartehalle gebracht. Keines der jungen Tiere ging diesen Weg freiwillig. Immer wieder zerrten die Arbeiter sie an den Ohren und an den Hinterbeinen herein. Mehrmals konnte ich beobachten, dass den Lämmern Eisenketten um die Beine gelegt wurden, die sich fest schnürten und an denen man die Tiere dann über den rauen Beton schliff. Geduld hat hier niemand. Man steht unter Zeitdruck, leistet Akkordarbeit. »Unser Geschäft läuft nur mehr über die maximale Auslastung. Massenproduktion ist die Vorgabe der Handelskonzerne, anders geht heute gar nichts mehr«, erklärte mir der Betriebsleiter. »Die Metzger-Branche in Österreich ist kaputt«, fuhr er fort. »Kleine Metzgereien oder Betriebe in Bauernhand, die selbst Einzeltiere schlachten,
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