Der große Bio-Schmaeh
aufsperrten.«
Greening Goliaths: Der Einstieg der »Großen«
»Bis zum Beginn der Neunzigerjahre«, meinte etwa der Bio- und Vollkornbäcker Clemens Waldherr im Burgenland, »befand sich die Bio-Bewegung in einem natürlichen Wachstum. Das war kein rasantes, explodierendes Wachstum, sondern ein gesundes – eben ein natürliches.« Das habe sich, so betrachtete der Bäckermeister die Entwicklung im Rückblick, dramatisch geändert, als man in den 1990er-Jahren die multinationalen Konzerne des konventionellen Lebensmittelhandels mit ihren Supermarktketten an Bord holte. »Durch den Einstieg konventioneller Handelsriesen ließ man es zu, dass sich auch deren Interessen in die Bio-Branche einkauften.« Sicher, beispielsweise habe Billa mit
Ja!Natürlich
zu einer immensen Verbreiterung des Bio-Marktes beigetragen und später seien andere Handelskonzerne nachgefolgt. »Aber sie betrieben Bio mit einem ganz anderen Geist und unter völlig anderen Voraussetzungen als im Nischenmarkt«, so der Bio-Bäckermeister. Zu dieser Zeit begann es in den Regalen der Supermärkte auch regelrecht zu wimmeln vor Gütezeichen und Qualitätslogos. Da kam das eindrucksvolle Bio-Zeichen gerade recht, das seit 1993 nur nach gesetzlich vorgegebenen Mindeststandards vergeben werden durfte. Die »strengen Bio-Kontrollen«, die in der Werbung mancher Bio-Marken gar zu den »strengsten Kontrollen« wurden, eigneten sich hervorragend als plakatives Verkaufsargument in den Werbeprospekten. Und das ist heute noch so. »Doch schon in den Neunzigerjahren ließ das Gesetz ausreichend Spielraum und ermöglichte ein Nebeneinander von qualitativ gänzlich unterschiedlichen Formen der ökologischen Landwirtschaft«, sagte Clemens Waldherr. »Die Konzerne des konventionellen Handels hatten ganz andere Motive als die Idealistinnen und Idealisten der Bio-Bewegung«, erinnerte er sich. Es bildeten sich zwei verschiedene Bio-Segmente heraus: der Bio-Massenmarkt, in dem das Vermögen und die kommerziellen Interessen der Konzerne wirkten, und der ökologische Nischenmarkt, der sich schon seit den Siebzigern in einem natürlichen Wachstum befand und sich auch weiterhin mehr als Bewegung denn als Branche verstand. Die konventionellen Goliaths hingegen banden ihre Bio-Produkte in ihre bestehenden konventionellen Handelsstrukturen ein. Ihre gesamte Wirtschaftspolitik, die sie seit jeher gewohnt waren, übertrugen sie auf die Bio-Produktion. Es war ein ganz anderes Denken, das sie auf die neuen Bio-Linien anwendeten.
Und dann ging der »Bio-Boom« so richtig los. Die Bio-Produktionskette wurde aus ihrem ganzheitlichen Zusammenhang gelöst und nur mehr als Produktion unter Verzicht auf bestimmte Hilfsstoffe verstanden.
Über die Fließbänder der Industrie jagten nun zu manchen Tageszeiten auch Bio-Semmeln und Bio-Küken. Riesige Tiefkühlfabriken lagerten Bio-Teigrohlinge neben Iglo-Fischstäbchen ein. Bio TM – das »Markenzeichen Bio« – war geboren worden. Die konventionellen Obst- und Gemüseimporteure der Supermärkte begannen, sich nach Ware umzusehen, die in großen Mengen und zu günstigen Preisen zur Verfügung stand, aber dennoch das Bio-Zeichen tragen durfte. Industriell arbeitende Getreide-, Obst- und Gemüseproduzenten schwenkten auf Bio um und stellten von nun an biologische Erzeugnisse in gewohnter Masse bereit. Geflügelkonzerne machten sich daran, Bio-Ställe zu errichten, in denen so viele Tiere untergebracht wurden, wie gesetzlich nur irgendwie erlaubt. Man sah sich nach Hochleistungsrassen um, die aber doch auch nach Bio aussahen, weil sie ein braunes Federnkleid trugen und kein weißes (wie die meisten konventionellen Fleischrassen). Die Eier, die Bio-Legehühner jetzt auch für Supermärkte legten, mussten möglichst einheitlich sein, damit sie mit den konventionellen Fließbändern und Roboterarmen kompatibel waren. Und dafür mussten sie genauso beschaffen sein wie herkömmliche Eier. »In den 1990er-Jahren wurde es immer schwieriger, Eier von alten Legerassen zu bekommen«, erinnerte sich ein Bio-Kaufmann aus Wien. Auch Rupert Matzer, der Bio-Händler mit langer Tradition, blickte zurück: »Auf einmal war Bio-Milch nur mehr in Getränkekartons erhältlich, wie sie in den industriellen Molkereien üblich waren. Diese bestehen aus dem Plastikkunststoff Polyethylen und sind mit Aluminium beschichtet. Bis heute haben wir in unserem Geschäft einen Engpass an Milch. Die Kartonverpackungen kommen mir nicht in die Regale. Das
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