Der große Bio-Schmaeh
einem sakralen Ort gelandet zu sein. Der Aufmarsch an Sicherheitskräften rund um den Innovationsbereich ist bemerkenswert. Doch Achtung: Fotografen sind hier nicht erwünscht. Dies bekomme ich augenblicklich zu spüren, als ich meine Kamera auspacken will. Zwei Security-Mitarbeiter stürmen in meine Richtung und schieben sich – noch ehe ich realisiere, was vor sich geht – zwischen mich und das Ausstellungsregal. Einer hebt seine Hände abwehrend über meine Kamera: »Fotografieren ist hier strengstens verboten«, erklärt er mir in bestimmendem Tonfall. »Bitte, weshalb das denn?«, frage ich höflich. Man wolle Produktpiraterie verhindern, ist die Antwort. »Aber die Produkte sind ja ohnehin öffentlich ausgestellt und ab sofort am Markt erhältlich«, werfe ich ein. Doch die Ordnungswächter bleiben hart. Immerhin könne ich ein Produktpirat sein, wiederholen sie ihr Argument. Hand aufs Herz, das bin ich nicht. Trotzdem packe ich meine Kamera wieder ein und im nächsten Moment stürmen die Sicherheitskräfte auch schon wieder davon: Eine Dame in Gang drei hat soeben die Kameralinse ihres Mobiltelefons geöffnet. Möglicherweise ist sie eine Piratenbraut.
Während ich durch den schier endlosen Innovationsbereich schlendere, wundere ich mich über die Angst vor Konkurrenz und das Geheimhaltungstheater, das hier veranstaltet wird. Noch mehr aber wundere ich mich über die Innovationen selbst, die uns die Bio-Industrie als bahnbrechende Erfindungen verhökern will. Hier die Highlights der Bio-Sensationsneuheiten aus 2011: Es gibt jetzt endlich fix und fertig abgeschmeckten Instant-Couscous im Industriebecher. Zubereitung: Einfach Wasser beifügen und fünf Minuten warten. Fertig! Ausgesprochen erwähnenswert auch die Innovation »Super Sprouts«: Bio-Gemüse und Bio-Obst aus Australien in Pulverform, unter Einsatz modernster Industrietechnologien extrafein pulverisiert. Jetzt können Sie Ihr australisches Obst und Gemüse ganz praktisch in jedem beliebigen Getränk auflösen und in Flüssigform zu sich nehmen. Auf der Unternehmenshomepage gibt es außerdem besondere Tipps für die Verwendung: Endlich Bio-Heidelbeerkuchen ohne Heidelbeeren, Bio-Apfelschnitte ohne Äpfel – »Super Sprouts« macht’s möglich! Vor Bio-Konservendosen wimmelt es regelrecht. Bio-Chips in verschiedenen Geschmacksrichtungen sind ebenfalls brandneu und mit Bio-Palmöl zubereitet, für dessen Produktion in Südostasien und Südamerika große Regenwaldflächen gerodet und ansässige Menschengruppen genauso wie gefährdete Populationen von Menschenaffen vertrieben werden. Bio-Dosengetränke sind 2011 überhaupt der große Renner. Sie stehen als »Innovationen« an allen Ecken und Enden. Es fragt sich nur, worin bei Aluminiumdosen die große »Innovation« steckt. Bio-Diätfuttermittel für Hunde darf unter den Neuheiten natürlich auch nicht fehlen, ebenso wenig wie plastikverschweißter Schnittkäse, der jetzt noch länger haltbar ist. Die Bio-Suppen können wir ab sofort fixfertig in Gläsern und Plastiktassen kaufen. Sie halten jetzt extra lang und brauchen nur noch aufgewärmt zu werden. Bereits abgeschmeckte Fertigsalate, Fertigeintöpfe und Fertiggazpachos in Plastikbechern reihen sich ebenso in den Reigen der Produktneuheiten ein und kommen noch dazu in Demeter-Qualität daher. Reis- und Sojadrinks gibt es jetzt endlich auch in herkömmlichen Plastikflaschen und Bio-Gummibärchen werden von nun an noch häufiger und in noch mehr Geschmacksrichtungen zu finden sein – die meisten mit Gelatine. Der Instant-Schweinsbraten geht den Bio-Konsumenten schon lange ab. Jetzt ist auch diese Lücke endlich geschlossen.
Ich verlasse den Bereich der Innovationen, als mir der Trubel dort zu viel wird. Ich spaziere durch die Hallen und bekomme alle paar Meter stapelweise Werbeprospekte vor die Nase gehalten. Eine Herstellerfirma herkömmlicher Fastfood-Verpackungen präsentiert ihre Plastikprodukte für den biologischen Take-Away-Markt, denn immerhin kann man ja auch einen Bio-Veggieburger hineinlegen. Ein EDV-Konzern bietet der Bio-Industrie seine Dienste an: Mit seiner Software können jetzt noch größere Fabriken noch zentraler gesteuert werden und die Daten von noch mehr Außenstandorten lassen sich jetzt noch schneller in die Konzernzentralen übertragen. Ich denke an die österreichischen Geflügelkonzerne und ihre Zentralcomputer: Ob sie wohl Interesse an diesem EDV-System haben werden? Die Technologien der Sojasaucenproduktion, so lerne
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