Der große Bio-Schmaeh
Mehrwegflaschensystem für Milch ist neben der Verpackungsindustrie kaputt gegangen. Bio-Milch können wir daher nur in begrenztem Umfang verkaufen. Viele unserer Kunden bestellen die Milch deshalb im Vorhinein.« Doch der eingesessene Bio-Händler mit dem langen weißen Haar blieb seinen Grundsätzen treu: »Getränkekartons kommen mir trotz allem nicht ins Geschäft, auch nicht bei anderen Produktgruppen.« Und immerhin sei es, so erfuhr ich, bei Fruchtsäften, Sojamilch, Reismilch und anderen pflanzlichen Getränken kein Problem, die Produkte in Mehrwegflaschen zu erhalten.
Agrarökonomen der Technischen Universität München in Weihenstephan 55 typisierten die Akteure des aktuellen ökologischen Bio-Marktes (Landwirtschaft, Weiterverarbeitung, Vermarktung) und stellten fest, dass seit den 1990er-Jahren die Kategorie der »Marktstrategen« immer mehr an Bedeutung gewinnt. Kennzeichnend für diese Gruppe ist eine stark ausgeprägte Marktorientierung, hinter welcher die Motivation steht, den mittlerweile ausdifferenzierten Öko-Markt bewusst zur Expansion und zur Erhöhung des Konzernprofits zu nutzen. Das bereits vorhandene positive Image der biologischen Landwirtschaft werde gezielt dafür genutzt, schreiben die Wissenschaftler, um die Gesamtrentabilität des jeweiligen Unternehmens zu erhöhen. Die Vertreter der Kategorie »Marktstrategen« hätten, so heißt es, weniger die Stärkung der Ökolandbaubewegung als die Interessen ihrer eigenen Konzerne im Sinne.
Die Autoren der agrarökonomischen Studie schreiben, unter den Marktstrategen des Bio-Massenmarktes ließen sich »ein lockerer Umgang mit den ursprünglichen Idealen des Öko-Landbaus sowie ein pragmatischer Umgang mit dem Einzug von konventionellen Strukturen« feststellen.
Ökolandbau in den falschen Händen?
Wie konventionelle Konzerne die Bio-Idee verändern
Von Wölfen in Schafspelzen
So gut wie jede Bio-Marke des Massenmarktes hat ihren eigenen Internetauftritt. Als Besucher wird man geradezu mit Verkaufsargumenten überhäuft, wenn man den Klick auf diese Homepages wagt. Die Bio-Produkte werden dabei auch durch Abgrenzung von konventionellen Produkten beworben. So stößt man beim Schmökern auf zahlreiche Argumente gegen die herkömmliche, nicht-biologische Landwirtschaft, ihren Umgang mit den Böden unseres Planeten und ihren viel zu hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Es wird angeprangert, für konventionelle Hersteller zählten nur Ertrag und Leistung als Richtlinien für das eigene Wirtschaften und der Gedanke der Nachhaltigkeit werde vernachlässigt. Die vorgebrachten Argumente sind richtig. Doch eine Frage drängt sich auf, ja bettelt geradezu darum, gestellt zu werden: Leiden die großen Handelskonzerne – unsere Supermarktketten – womöglich unter einer Art unternehmerischer Persönlichkeitsspaltung? Immerhin wird der Großteil der herkömmlichen, eben der konventionellen Lebensmittel in Österreich von niemandem anderen vermarktet als von ihnen selbst! Indem sie in der Werbung für Bio kräftig und mit guten Argumenten gegen die konventionelle Lebensmittelindustrie ins Horn blasen, erklären sie sich selbst den Krieg und hoffen dabei, dass es niemand merkt. Vergessen wir nicht:
Natur*pur
ist Teil des konventionellen Handelskonzerns Spar,
Zurück zum Ursprung
und
Natur Aktiv
sind die Bio-Marken des konventionellen Discounters Hofer. Auch die übrigen – wie etwa
Echt B!o
,
natürlich für uns
,
Bio Bio
oder
Bio Trend
– gehören alle zum konventionellen Lebensmittelhandel.
Wer dem Team von
Ja!Natürlich
einen Besuch abstatten möchte, muss sich zuerst in die Zentrale des konventionellen Rewe-Konzerns begeben. Die Geschäftsführerin von
Ja!Natürlich
hatte früher eine Spitzenposition bei Masterfoods inne, einer Tochterfirma des US-amerikanischen Lebensmittekonzerns Mars. Heute ist sie nicht nur für
Ja!Natürlich
verantwortlich, sondern gleichzeitig auch für die Billigmarke
Clever
und für
Quality First
. Beide sind konventionelle Eigenmarken des Rewe-Konzerns. Es bleibt ungeklärt, wie weit es bei Inhabern solcher Doppelfunktionen mit der ökologischen Überzeugung gediehen sein kann.
Die heutige Bio-Marke von Hofer,
Zurück zum Ursprung
, war in früheren Jahren gar keine Bio-Marke, sondern eine Handelsmarke für konventionelle Milcherzeugnisse. Werner Lampert, schon damals das dazugehörige Aushängeschild, gründete
Zurück zum Ursprung
im Jahr 2006 nach seinem Abgang aus dem Hause
Ja!Natürlich
. Von nun an
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