Der große Blowjob (German Edition)
an dem Abend in der Bar, als die Praktikantin mich ansah und ihr erbärmlich freudiges Lächeln lächelte. Da habe ich gemerkt, wie etwas in mir aussetzte, wie bei einer Computer-Panne, als würden Daten irgendwo festhängen und nach dem Startbefehl nicht bis ins Betriebssystem gelangen, von wo aus mich sonst eine Fehlermeldung erreicht hätte: « 404 : Finger weg». Stattdessen zuckt und zwickt es mir spontan in den Lenden, ich habe den Eindruck, regelrecht eingeladen zu werden, und dieser Einladung komme ich umgehend und mit Freuden nach. Was soll ich sagen? Macht es wirklich einen Unterschied, ob man eher auf sogenannte gesunde Frauen steht oder auf die total irren? Mal ehrlich, ein bisschen gaga sind wir doch alle. Das ist ein Spektrum mit fließenden Übergängen, weshalb ich anfangs auch dachte, die Personaltante und ich würden über Juliette Chang reden, über die schwierigen Zeiten, die ihr bevorstehen, und zwar dank mir. Vielleicht würde es sich karmatechnisch positiv auf andere Bereiche meines Lebens auswirken, wenn ich sie verschone? Scheiße, ich höre mich an wie Seth. Aber vielleicht sind meine Probleme mit der Praktikantin ein Zeichen? Vielleicht sollten wir Juliette doch nicht feuern. Vielleicht sollten wir den gesamten Plan noch einmal neu überdenken.
Endlich wendet sich die Personaltante wieder mir zu. «Wie dem auch sei, das ist jetzt eine ziemlich heikle Lage, wir müssen die Sache mit Barry besprechen, Eric, das sehen Sie hoffentlich ein.»
«Sie glauben mir nicht, stimmt’s?», jammere und stöhne ich.
«Was soll ich Ihnen nicht glauben?»
«Dass sie ein bisschen irre ist und sich in meine Mails gehackt hat.»
Sie antwortet erst nach längerem Schweigen. «Nein, das glaube ich Ihnen tatsächlich nicht. Wie hätte sie das anstellen sollen? Ist sie ein Computer-Genie oder so was?»
«Keine Ahnung», sage ich. «Ich weiß so gut wie nichts über sie, ich wusste ja nicht mal ihren Namen. Aber sie ist hochintelligent, zumindest so viel weiß ich. Sie hat zwei Jahre in der High School übersprungen, hat sie erzählt, hatte den perfekten Notendurchschnitt und hat sogar Philosophie, Kulturtheorie und Film studiert. Sie hatte mal was mit Slavoj Zizek, hat sie mir erzählt. Verstehen Sie?»
«Mit wem?»
Dazu rasch zwei Anmerkungen, erstens, was ich da gerade erzählt habe, stimmt nicht, dass sie was mit Slavoj Zizek hatte, hat sie nie gesagt, bloß, dass sie ihn mal persönlich kennengelernt hat, und aus ihrem Blick dabei habe ich geschlossen, dass sie andeuten wollte, sie wäre vielleicht mit ihm im Bett gewesen oder hätte zumindest mit dem Gedanken geliebäugelt. Und zweitens, ich weiß, dass die Personaltante keine Ahnung hat, wer Slavoj Zizek ist. Sie hat vermutlich noch nie etwas von postmoderner, postlacanischer, postfranzösischer Kulturtheorie aus Slowenien gehört und wüsste wahrscheinlich nicht mal, wo genau sie Ljubljana bei Google Maps suchen sollte.
«Mit wem?», fragt sie noch mal.
«Mit diesem komischen Typen von der New York University, so ein halber Eurotrash-Intellektueller, ist nicht so wichtig. Ich will damit nur sagen, sie ist verdammt schlau, gut möglich, dass sie auch Computer hacken kann oder jemanden kennt, der es kann.»
Die Personaltante, das ist ihr deutlich anzusehen, hält mich inzwischen für ein bisschen paranoid. Und es stimmt, wenn man mich auffordern würde, mich mit einem Wort oder in einer kurzen Phrase zu beschreiben, würde ich vermutlich «ein bisschen paranoid» sagen.
«Vielleicht sind Sie ein bisschen paranoid», sagt sie schließlich.
«Bin ich nicht! Sie hat es mehr oder weniger zugegeben!», sage ich. «Wie wär’s, wenn Tan der Sache mal nachgeht?» Tan ist einer unserer IT -Typen. Er ist Autist, genauer gesagt, er hat Asperger, sprich, er kann zwar einen Beruf ausüben, aber Interaktion mit anderen Menschen kriegt er nicht so gut hin. Er führt gern Selbstgespräche, was irritierend sein kann, wenn man allein mit ihm Aufzug fährt und sich irrtümlich angesprochen fühlt. Viele in der Agentur haben ihm gegenüber Berührungsängste, und irgendwann fingen einige der jüngeren Typen an, ihn «Cho» zu nennen, nach dem asiatischen Amokläufer, der das Blutbad an der Virginia Tech angerichtet hat. Um ihrer von Vorurteilen verzerrten Wahrnehmung entgegenzuwirken, habe ich Plakate und Buttons mit dem Slogan TAN. MACHT WAHNSINNIG AN ™ herstellen und im Haus verteilen lassen. Ich finde den Mann klasse. Er stammt aus Kambodscha, seine Eltern
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