Der große Blowjob (German Edition)

sind von den Roten Khmer ermordet worden. Ich traue ihm durchaus zu, dass er eines schönen Tages mit einer Kalaschnikow hier auftauchen und wild um sich ballern könnte, aber erstens traue ich mir selbst das auch zu, und zweitens wäre es vielleicht gar nicht so verkehrt.
    «Wie wär’s, wenn Tan der Sache mal auf den Grund geht?», frage ich ein zweites Mal.
    «Ja, wenn Sie meinen», erwidert die Personaltante, steht auf und geht hinaus. Eine Minute lang bleibe ich noch sitzen, bevor ich bei Faco drei Gläser Sancerre trinke. Dann gehe ich zu Uniqlo und kaufe mir ein Kapuzensweatshirt, weil die Temperatur sinkt.
     
    Wieder zurück in der Agentur, suche ich umgehend Tan an seinem Arbeitsplatz auf und frage ihn, ob er irgendwie feststellen kann, ob jemand sich in meine Mails gehackt hat. Er wollte auf jeden Fall hingehen, sagt er, aber es hätte geregnet, deshalb hätte er die U-Bahn nehmen müssen. Ich wedle ihm mit der Hand ein paarmal vor dem Gesicht herum, und daraufhin sagt er, ja, er könne sich mal die Log-ins ansehen. Auf seinem Computer ruft er eine merkwürdig aussehende Maske auf, eine Hintertür, die Microsoft den Systemadministratoren zu den Entourage-Servern zur Verfügung stellt. Er scrollt sich durch endlose Zahlenreihen und schüttelt dabei die ganze Zeit den Kopf.
    «Was ist?», frage ich.
    «Die haben das total bescheuert konfiguriert! Ist alles verdreht!», sagt er mit seinem Akzent. Dann holt er zu einer Tirade über Bill (gemeint ist wohl Gates?) und Nathan (Myhrvold, der frühere Chief Technical Officer von Microsoft) aus – dass die 2002 die Ordner-Einstellungen ent-irgendwas-irgendwas hätten und niemals die Admin-Features auf der Server-Seite hätten upgraden dürfen, ohne das vorher mit den Linux-Leuten abzuklären. Dann ruft er genauere Informationen auf und studiert die IP -Adressen der Leute, die mir E-Mails geschickt haben, sowie die der Computer, von denen aus ich die Mails geöffnet habe. Es ist ein bisschen so, als säße man seinem Arzt gegenüber, der die Röntgenbilder betrachtet, die er eben von einem aufgenommen hat, und dabei «hmmmmmmm» vor sich hinbrummt.
    «Was ist?»
    «Sie benutzen Ihr Telefon für E-Mail?», fragt er mich.
    «Ja.»
    «Und Sie haben ein BlackBerry?»
    «Ja, aber das finde ich blöd und benutze es kaum. Ich checke die Mails hauptsächlich über mein iPhone.»
    «Und Sie haben einen Heimcomputer ohne feste IP -Adresse und Ihren Büro- PC . Sonst noch irgendwelche Computer?»
    «Nein.»
    «Sie haben Ihre E-Mail nicht irgendwie bei einem Freund gecheckt oder von einem Computer in einer Bücherei aus? Oder im Apple-Store?»
    «Nein.»
    In dem Augenblick taucht die Personaltante bei Tans Arbeitsnische auf. Sie lächelt Tan zu und sagt hi, aber ich weiß, dass sie eine von denen ist, die sich total vor ihm gruseln, deshalb wahrt sie sorgsam Abstand, als wäre sein Zustand irgendwie ansteckend.
    «Scheiß auf die Server-Seite», sagt Tan, ohne ihr die geringste Beachtung zu schenken.
    «Na, haben Sie schon irgendwas gefunden?», fragt sie.
    «Hier ist noch eine andere IP , die auf den ARIN -Datenbestand hindeutet», sagt Tan. Er winkt in Richtung einer langen Zahlenreihe, kopiert sie, fügt sie auf einer Google-Seite in die Suchzeile ein, hebt dann dramatisch den linken Arm in die Höhe, um es spannend zu machen, und lässt ihn nach unten sausen, drückt mit dem Zeigefinger die Enter-Taste auf seiner Tastatur. Er klickt die erste Adresse auf der Ergebnisseite an und landet auf einer schmucklosen weißen Seite mit einem Wust von Informationen. Einen Abschnitt davon markiert er mit der Maus und tippt einige Male mit dem Finger gegen seinen Bildschirm, während er sagt: «Das ist sie!» Er deutet auf die angezeigten Daten:
    NetRange: 192 . 168 . 0 . 0 – 192 . 168 . 255 . 255
    CIDR : 192 . 168 . 0 . 0 / 16
    NetName: IANA - CBLKI
    NetHandle: NET - 192 - 168 - 0 - 0 - 1
    Parent: NET - 192 - 0 - 0 - 0 - 0
    NetType: IANA Special Use
    NameServer: PLUTO - 1 . IANA . ORG
    Kommentar: Dieser Block ist für Spezialzwecke reserviert.
    Kommentar: Siehe RFC 1918 für weitere Informationen.
    Letztes Update: 2012 - 4 - 27
    «Was bedeutet das?», frage ich.
    «Dass ein Log-in von einem Computer aus erfolgt ist, der keiner von unseren ist.»
    «Wann?»
    «Gestern.»
    Ich werfe der Personaltante einen Blick zu.
Sehen Sie?
Sie atmet tief durch. «Heißt das also, es hat sich jemand ins System gehackt?»
    Tan bricht in unbändiges, wieherndes Gelächter aus. «Nein, nein,