Der große Blowjob (German Edition)
Psycho-Sitzung.
«Sie haben sich also selbst auf verschiedene Weise gefeiert», sagt er. «Das ist normal.»
«Ich habe mir schon überall einen runtergeholt: regelmäßig in meinem Büro bei der Arbeit, auch nachts mal auf einem verlassenen Grundstück, auf dem Rücksitz von Taxis, in Kaufhaustreppenhäusern, auf Flughafentoiletten, ich tue es in Flugzeugen und einmal auch im Auto, am Steuer, auf dem New York Thruway, mit geilen Fotos auf dem iPhone als klasse Wichsvorlage.» Ruhig mal dick auftragen.
«Woran liegt das, was glauben Sie?», fragt er, wie um mich zu testen, aber ich lasse mich doch nicht ködern.
«Sie würden mir vermutlich einen starken Geschlechtstrieb bescheinigen. Natürlich kann ich jederzeit Sex haben, wann immer ich Lust dazu habe, und hin und wieder bezahle ich auch schon mal dafür. Ich arbeite unwahrscheinlich viel, deshalb habe ich nicht immer die ‹Bandbreite› fürs Dating. Wenn ich date, dann in der Regel Schauspielerinnen und Models. Die lerne ich über den Job kennen, und ich verdiene ja auch ziemlich gut, also finden sie mich attraktiv. Eine richtige Beziehung hatte ich allerdings noch nie, und ich bin dreiunddreißig. Finde ich aber nicht so ungewöhnlich heutzutage, bei den ganzen Computerspielen und dem Reality- TV -Scheiß, ganz zu schweigen von dieser neuen Porno-App. Dreiunddreißig ist das neue Neun.»
Dann baue ich einen überraschenden Schwenk in die Geschichte ein, einen MacGuffin.
«Ich schätze, das hängt alles mit meiner Mutter zusammen», sage ich, und dann, ohne überhaupt richtig nachzudenken, geht mir die Lüge auch schon schön glatt über die Lippen. «Sie ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich zehn war. Ich war dabei, musste alles mit ansehen.»
Alles Weitere ergibt sich sozusagen wie von selbst. «Ich stand in unserem Vorgarten, und meine Mutter kam die Straße hochgefahren. Rückblickend vermute ich, dass sie an jenem Tag betrunken war, denn sie hat nicht kurz vor unserem Haus gebremst, um einen Wagen von der Müllabfuhr vorbeizulassen, sondern hat wohl statt auf die Bremse versehentlich aufs Gaspedal getreten. Sie ist frontal in den Müllwagen gekracht. Mit vollem Tempo.»
Hier lege ich aus dramaturgischen Gründen eine Pause ein. Ich sehe ihn abwartend an, und dabei überlege ich, warum ich eigentlich all diese Geschichten erfinde, obwohl es genügend wahre und stichhaltige Dinge gibt, die ich ihm erzählen könnte: die emotionale Rechtschaffenheit meines Vaters (eine Formulierung meiner Schwester) oder die tatsächliche Krankheit meiner Mutter. Dr. Look sitzt eine ganze Zeit lang schweigend da, bis er endlich mit leiser Stimme sagt:
«Es muss für Sie sehr schwierig sein, über diese Dinge zu sprechen.»
In dem Raum hat sich nichts verändert, und doch kommt er mir plötzlich sonderbar dunkel vor, als wären in den letzten anderthalb Minuten viele Stunden vergangen. Er rückt auf seinem Sessel herum, und kurz beschleicht mich die Furcht, dass er herüberkommen und mich irgendwie berühren könnte, mir etwa eine Hand an die Schulter legt, aber er bleibt sitzen.
«Und, wie ging es weiter?»
«Mit der Praktikantin? Sie meinen, nachdem ich sie geschlagen hatte? Ich habe ihr ein Handtuch und etwas Eis geholt. Nein, das ist natürlich Quatsch», sage ich. «Ich habe niemandem eine runtergehauen.»
«Das weiß ich», sagt er, «aber jetzt reden wir gerade über Ihre Mutter. Sie ist also bei einem Autounfall ums Leben gekommen.»
«Ich bin zu dem Wagen rübergelaufen, habe die Fahrertür aufgerissen und dabei so laut geschrien, dass mein Vater davon aufgewacht ist, der drinnen im dunklen Wohnzimmer saß und vor dem Fernseher eingeschlafen war» – als Erzähler bin ich alles andere als innovativ –, «und dann habe ich sie an der Hand gepackt, die voller Blut war, und aus dem Wagen gezerrt, aber es war zu spät. Sie ist in meinen Armen gestorben, genau dort auf unserer Straße, die Magic Elm Drive hieß.»
«Ihre Mutter ist in Ihren Armen gestorben?», wiederholt er meinen Satz in Form einer Frage. «Auf der Straße vor Ihrem Haus?»
Ich nicke stumm. Danach bleibt es lange still. Und in dieser Stille wird mir klar, dass das «in meinen Armen gestorben» wohl doch zu dick aufgetragen war. «War sie schwer?», fragt er schließlich. «Ihre Mutter? Wie hieß sie?»
«Sie war ein bisschen pummelig, ja, so habe ich sie zumindest in Erinnerung», sage ich. «Der Körper ist nur ein Gefäß, ein Avatar unseres wirklichen Ichs.»
«Was
Weitere Kostenlose Bücher