Der große Blowjob (German Edition)
und sie fühlt sich tatsächlich kalt an.
«Danke», sage ich, und er nickt, lächelt und entfernt sich. Bestimmt ist er nicht aus New York, er ist vermutlich aus dem Mittleren Westen, aus Ohio vielleicht, wo ich auch herkomme, einer, der es für zulässig hält, Fremden seine Hilfe anzubieten. Ich kehre zum Gate zurück und trinke das Wasser, oder die Hälfte davon, und dann beginnt schon das Boarding für meinen Flug. Ich stehe auf und schnappe mir meine Booq™-Laptop-Tasche und gehe an Bord. Ich setze mich auf meinen Platz, 3 A, und mache es mir bequem. Ich kippe meinen ersten Champagner auf ex herunter, & die Flugbegleiterin schenkt mir umgehend nach. Ich kippe auch dieses Glas herunter, & sie lächelt mir zu & schenkt mir nach & reicht mir ein weißes Schälchen mit Nüssen. Ich esse die Nüsse nicht. Warum esse ich die Nüsse nicht? Nur einen Moment später taucht sie wieder auf, um mir ein weiteres Glas billigen Cru einzuschenken, hoffe ich, aber stattdessen nimmt sie mir die Nüsse wieder ab.
«Es ist jemand an Bord, der allergisch ist», erklärt sie mit gedämpfter Stimme. «Alle Nüsse müssen verschwinden.»
Wie gesagt, ich fliege nicht gern. Das hat nichts mit dem Gedanken zu tun, dass das Flugzeug abstürzen könnte. So ein Ende habe ich mir schon oft gewünscht, es wäre bestimmt vollkommen schmerzlos, oder schlimmstenfalls mit ein paar Nanomomenten Schmerz, und es gäbe sicher einen echten Adrenalinkick, während man in die Tiefe stürzt. Man bräuchte sich nicht dafür zu schämen, denn ein Autounfall beispielsweise wäre anders, an dem hat man immer irgendwie eine Mitschuld, besonders, wenn man betrunken ist, und es wäre auch anders, als, sagen wir mal, bei einem Banküberfall getötet zu werden, wo nach deinem Tod bestimmt jemand sagt: «Was hatte er auch in einer Filiale verloren, die so weit weg von ihm zu Hause ist?»
Während des Startens höre ich mir die neuen Best-Coast-Tracks an, die mir unsere Musikabteilung zugespielt hat. Sie werden erst demnächst veröffentlicht, und man hat mir versichert, dass diese Band das nächste ganz große Ding wird, und das werden sie zweifellos, weil ihre Musik wirklich grauenhaft ist, dummer, sentimentaler Dreck. Als wir oben in der Luft sind, schlafe ich ein. Ich träume, dass ich im Büro bin, und jemand, keine Ahnung, wer, die Person hat nicht mal ein Gesicht, ist es ein Mann oder eine Frau, stürmt mit einer Knarre durch die Flure von Tate und bringt Leute um, hält einfach wahllos eine Glock oder irgendeine andere Handfeuerwaffe in Arbeitsnischen & Büros & knallt die Leute ab. Es spritzt viel Blut. Aber das alles läuft völlig lautlos ab, ohne Ton, weshalb das alles insgesamt wie ein ganz normaler Arbeitstag wirkt.
Als ich ein paar Stunden später aufwache, macht der Pilot gerade eine Durchsage. Wir überfliegen soeben die Rocky Mountains, und es könnte zu Turbulenzen kommen, bitte schnallen Sie sich an. Da merke ich, dass ich nicht normal atme, mein Atem geht schnell und stoßweise, und meine Lippen sind trocken und rissig, vermutlich habe ich im Schlaf mit offenem Mund nach Luft geschnappt. Das ist nicht ungewöhnlich, ich wache oft mit rissigen Lippen auf, und ich muss mir das käsige Zeug mit einem Handtuch im Bad abwischen, manchmal nehme ich auch die Küchenrolle. Aber der klebrige Schleim ist nicht das, was mich beunruhigt, sondern wie unregelmäßig meine Atmung geht.
Ich sehe mich um, während das Flugzeug die ersten Hopser macht, «Luftlöcher» nennt man das wohl. Mein Atemproblem hat aber schon vor den besagten Luftlöchern angefangen. Das heißt, ich bin nicht etwa in Sorge, wir könnten abstürzen und sitzen alle wochenlang im Schneetreiben fest und essen uns gegenseitig. Nein, die Panik muss andere Gründe haben. So, nun habe ich es gesagt, das P-Wort, es geht wieder mal los, ist das der große Oschi? Ist das die Reaktion auf den brutalen Ballertraum? Aber es ist ja schwer zu sagen, ob ich den Traum hatte, weil ich unterbewusst Angst davor habe, dass ein von mir rausgeschmissener Mitarbeiter Rache nimmt, oder ob der gesichtslose Killer nicht sogar ich selbst bin. Aber wie dem auch sei, mein Gefühlston dem Traum gegenüber ist eigentlich gar nicht so negativ, also glaube ich nicht, dass es mir deswegen so schwer, und immer schwerer, fällt, Luft zu holen, zu atmen, und es wird zunehmend schlimmer, na toll.
Oder könnte ich allergisch gegen Nüsse sein? Von sympathetischen toxischen Reaktionen habe ich schon gehört, eine Art
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