Der große Blowjob (German Edition)
indirekte Nussallergie, aber ich habe ja keine einzige gegessen (warme Mandeln, Cashews, Erdnüsse), ich habe kaum einen Blick draufgeworfen, ehe sie mir auch schon wieder abgenommen wurden. Ich sehe mich im Flugzeug um, es ist still, bis auf die Turbulenzen, aber alle sitzen auf ihren Plätzen, und wir stehen die Sache durch, ein kurzer böiger Abschnitt über den Bergen. Nachdem ich einige Minuten versucht habe, bewusst ruhig und tief zu atmen, um die Sache in den Griff zu kriegen, weiß ich, dass es sinnlos ist. Jetzt geht das schon wieder los, und um alles noch schlimmer zu machen, habe ich mein Klonopin im Koffer gelassen.
Ich muss aufstehen. Ich muss es bis zur Toilette schaffen. Ich schnalle mich los und trete in den Gang und gehe los nach vorne, zum WC , mit großen, ausholenden Schritten, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, während das Flugzeug durchgerüttelt wird. Eine der Flugbegleiterinnen, « LUCY » steht auf ihrem Namensschild, ist an ihrem kleinen Sitz festgeschnallt,und sie fordert mich auf, mich bitte wieder an meinen Platz zu setzen. Ich beachte sie nicht, tatsächlich überlege ich sogar kurz, ihr den Stinkefinger zu zeigen. Als ich drinnen bin, setze ich mich auf das Klo, auf den Deckel, und halte mich mit der linken Hand an dem Griff fest, der auf halber Höhe an der Kunststoffwand angebracht ist. Ich habe wieder diese Selbstmordgedanken, ich bin wie von ihnen besessen, der kleine, abgeschlossene Raum ist da nicht gerade hilfreich, aber wenigstens bin ich allein. Ich habe schon oft überlegt, dass die Griffe in diesen Flugzeugklos auf der falschen Seite angebracht sind, denn wenn man bei Turbulenzen im Stehen pinkeln will, hätte man den Griff gern links von sich (wenn man vor dem Klo steht, meine ich, statt darauf zu sitzen wie ich gerade), um mit der rechten Hand seinen Schwanz halten und zielen zu können. Aber dafür gibt es wohl mehrere Erklärungen. Erstens, nicht jeder ist Rechtshänder, manche Leute halten beim Pinkeln ihren Schwanz mit der linken Hand fest, vermutlich nicht so viele, aber einige schon. Und dann gibt es natürlich noch Leute, die gar keinen Schwanz haben, weil sie Eunuchen sind oder, in anderen Fällen, Frauen. Und dann ist da noch der Umstand, dass es im Flugzeug wahrscheinlich klüger ist, immer im Sitzen zu pissen, egal, wer man ist. Nach einiger Zeit hört das Ruckeln auf, und ich kann mich auf das Gefühl von unentrinnbarem Verhängnis konzentrieren, das von mir Besitz ergriffen hat. Es brennt feurig tief in meiner Brust, die ganzen schrecklichen Dinge, die passieren werden, nicht jetzt sofort, nicht einmal bald, aber irgendwann, die Frage ist nur, wann. Bitte, bitte, ich bete darum, dass dieses Flugzeug abstürzt, obwohl ich zu sagen wage, dass ich der Einzige an Bord wäre, dem das etwas nützen würde. Jedenfalls versuche ich Distanz zu diesem jetzt zeitunspezifischen Gefühl drohenden Unheils zu gewinnen, indem ich ihm einen Namen gebe, ich nenne es Meta-Untergang, und eine Markenfarbe, nämlich Schwarz, und dann verfasse ich im Kopf ein Briefing für Meta-Untergang.
Kernbotschaft: Ein unentrinnbares Gefühl von Meta-Untergang zu haben, verhilft mir zu Statusgewinn innerhalb meiner Peergroup, weil es meine Intelligenz und Kreativität unterstreicht. Brand-Charakter: maskulin, kraftvoll, auf sozialen Aufstieg bedacht, wütend. Brand-Look/-Feel: Schwarz. Dunkel. Brand-Haltung: düster. Brand-Charakter: Kafka trifft Predator-Drohne. Consumer: Eric Nye, männlich, 33 , ein kreativer Individualist, der von Natur aus unkonventionelle Entscheidungen trifft und sich dabei immer treu bleibt.
So eine Flugzeugtoilette, merke ich, ist der ideale Ort dafür, ein Briefing zu verfassen oder nur seine Gedanken ziellos schweifen zu lassen, wozu ich nach einiger Zeit auch in der Lage bin. Ich bemühe mich, diesem Wunsch, meiner Existenz ein Ende zu setzen, nicht zu viel Beachtung zu schenken, und denke bewusst über anderes nach, etwa darüber, wie man Meta-Untergang am besten weltweit vermarkten könnte. Aber wieso mache ich mir Vorwürfe, wenn ich keine Luft bekomme? Es fühlt sich an, als würde mich jemand mit einem schwarzen Plastiksack über dem Kopf in einem Militärflugzeug nach Ramstein überstellen. Und dann klopft es laut an der Tür, und dazu die Stimme der Flugbegleiterin, mütterlich irgendwie, ob es mir gutgeht? Das Flugzeug hat seinen unvermeidlichen Landeanflug zum Los Angeles International Airport begonnen, kurz LAX . Wie ist man nur auf die Idee
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