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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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hatte das Mädchen lange vergessen. Da machte sie sich unkenntlich und ging ins Schloss und verdingte sich dort als Seidenspinnerin.
    Am ersten Tage öffnete sie nun den ersten Apfel, welchen ihr die Alte im Walde geschenkt hatte, und nahm die goldene Spindel heraus; als die Königin diese sah, gefiel sie ihr über die Maßen und sie fragte das Mädchen, ob sie sie nicht verkaufen wolle. »Nein«, sagte das Mädchen, »zu verkaufen ist sie nicht, aber zu verdienen: Lass mich eine Nacht bei dem Könige schlafen, so ist sie dein.« Das wird schon gehen, dachte die Königin und versprach es ihr.
    Als nun der Abend herankam, gab sie dem Könige einen Schlaftrunk ein, und als er nun ganz fest schlief, holte sie die Seidenspinnerin und führte sie in des Königs Kammer. Diese aber setzte sich an sein Bett und jammerte und klagte: »Nun sehe ich doch, dass Undank der Welt Lohn ist, drei Jahre lang habe ich dich als Würmchen herumgetragen, habe deinethalben vom Vater und den Schwestern böse Scheltworte und Schläge ausgehalten, habe mich an Händen und Knien beschlagen lassen, um über den Glasberg zu kommen, und nun ist doch alles vergessen, und du hast eine andere Gemahlin.« Aber der König schlief so fest, dass er kein Wort von alledem vernahm, und als es Morgen wurde, kam die Königin und führte die Seidenspinnerin wieder hinaus.
    Da war sie gar betrübt und nahm den zweiten Apfel, brach ihn auf und holte den goldenen Haspel hervor. Als den die Königin sah, gefiel er ihr wieder so über alle Maßen, dass sie das Mädchen fragte, ob sie ihn verkaufen wollte; aber die sagte wieder, zu verkaufen sei er nicht, aber wohl zu verdienen: Wenn sie noch eine Nacht bei dem Könige schlafen dürfe, solle sie den Haspel haben. Da versprach’s ihr die Königin, und es ging alles wie in der ersten Nacht: Der König schlief so fest, dass er kein Wort vernahm. Aber einer von des Königs Dienern hatte gesehen, wie die Königin die Spinnerin in des Königs Schlafkammer geführt hatte, und da war er neugierig geworden und hatte gehorcht und alles gehört, was die Seidenspinnerin gesprochen, und das erzählte er am andern Tage dem Könige.
    Die Königin hatte die Seidenspinnerin aber am andern Morgen wieder aus des Königs Schlafkammer geführt und diese hatte betrübt ihren letzten Apfel mit dem goldenen Spinnrade geöffnet, und als die Königin das gesehen, hatte sie ihr erlaubt, noch eine Nacht bei dem Könige zu schlafen, wenn sie ihr das goldene Spinnrad schenken wolle. Das tat sie gern, und als es Abend wurde, ging die Königin wieder hin und brachte ihrem Gemahl den Schlaftrunk. Der tat aber nur, als tränke er davon, und goss ihn heimlich aus, legte sich darauf nieder und stellte sich, als ob er schliefe. Darauf ging die Königin hin, holte die Seidenspinnerin und führte sie in des Königs Schlafkammer.
    Da setzte sie sich traurig an des Königs Bett und jammerte und klagte: »Nun sehe ich doch, dass Undank der Welt Lohn ist; ich habe dich als Würmchen drei Jahre lang herumgetragen, habe deinethalben vom Vater und den Schwestern Scheltworte und Schläge ausgehalten, habe mich an Händen und Knien beschlagen lassen, um über den Glasberg zu kommen, und nun ist doch alles vergessen, und du hast eine andere Gemahlin.« Das hörte der König alles still mit an und tat, als wenn er weiter schliefe.
    Am andern Tage aber ließ er ein großes Gastmahl anrichten, und die Seidenspinnerin musste auch herbeikommen und sich ihm zur Rechten setzen. Als nun alles bei Tafel saß, sagte er: »Ich will euch eine Frage vorlegen, darauf gebt mir frei und offen Antwort. Vor Jahren habe ich den Schlüssel zu meinem Spinde verloren und ließ mir deshalb einen neuen machen; jetzt aber habe ich den alten wiedergefunden, welchen soll ich nun gebrauchen?« – »Den alten«, sagten alle wie aus einem Munde, »denn der passt doch immer besser.« – »Nun«, sagte der König, »die Seidenspinnerin, welche hier zu meiner Rechten sitzt, die hat mich, als ich verwünscht und ein Würmchen war, drei Jahre lang täglich gewartet und gepflegt und viel Leid und Elend um mich erduldet, drum will ich mich von meiner Gemahlin so lange scheiden, als jene lebt, und sie heiraten.« Und das tat er denn auch und so ward die Seidenspinnerin Königin.

Die Königstochter zum goldenen Berge
    Drei

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