Der große deutsche Märchenschatz
zu murren.
Nun trug es sich einstmals zu, dass ein Bauer mit Mähre über Feld zog, und als er zu eines andern Bauern Hofe kam, wo er Geschäfte hatte, band er derweilen sein Pferd an einen Wagen, der mit Heu beladen war. Da traf es sich, dass die Mähre ein Füllen warf; das freute den Mann sehr; als er aber das Füllen mit sich hinwegführen wollte, trat der, welchem das Fuder Heu gehörte, hinzu und sagte: Das ginge nur nicht so; das Füllen käme von Rechts wegen ihm zu, weil die Mähre an seinem Fuder Heu gestanden hätte, als sie das Füllen zur Welt brachte. Weil sie nun darüber in heftigen Streit gerieten, so gingen sie zuletzt mit ihrer Klage vor den König; der tat den Ausspruch, dass der das Füllen haben sollte, an dessen Wagen die Mähre gestanden hätte. Der Bauer, dem das Füllen zugesprochen war, ging mit lachendem Munde fort, der andere aber war ganz traurig über des Königs ungerechte Entscheidung.
Da ward ihm gesagt, er solle zur Königin gehen, die wäre sehr klug und herzlich gut und könne ihm vielleicht einen nützlichen Rat geben. Da ging der arme Bauer zu der Königin und stellte ihr seine Sache vor. Da sprach sie: »Kaufe dir ein Fischnetz, und Morgen früh, wenn der König mit seinen Leuten durch die Stadt geht, ziehe das Netz über die Pflastersteine, als wolltest du Fische fangen. Wenn dich dann der König fragt, so antworte ihm: Ebenso gut, wie ein Fuder Heu ein Füllen werfen kann, ebenso wohl kann ich auf dem Pflaster hier auch Fische fangen.«
Der Bauer tat, wie ihm die Königin gesagt hatte; und als er nun am andern Morgen sein Netz durch die StraÃen zog, kam der König mit seinen Hofleuten auch bald des Weges gegangen und fragte verwundert, was er denn da täte. »Ich fische«, sagte der Bauer. »Aber, guter Freund«, sprach der König, »wie magst du in den StraÃen fischen, da doch kein Wasser ist?« â »Ei, Herr!«, entgegnete der Bauer, »ebenso gut, wie ein Fuder Heu ein Füllen zur Welt bringen kann, ebenso gut kann ich auf der StraÃe hier auch Fische fangen.« Da erkannte der König den Bauern wieder und sprach: »Du sollst dein Füllen ersetzt haben; aber den Einfall mit dem Netze, den kann dir niemand gesagt haben auÃer der Königin, das merk ich wohl.«
Jetzt ist der König von da gleich zu der Königin gegangen und hat gesagt: »Ich sehe wohl, dass dir, was ich tue, nicht recht ist; darum musst du noch heute mein Haus verlassen und hingehen, woher du gekommen bist.« â »Wenn das Euer Wille ist«, sprach Isabelle, »so will ich auch zufrieden sein.« Da lieà ihr der König alte, zerrissene Kleider geben und verstieà sie, dass sie arm und halb nackt wieder zu ihres Vaters Hause kam; aber doch sprach sie wider den König kein böses Wort.
Ãber eine Zeit, da lieà der König bekanntmachen, dass er sich wieder vermählen wolle; und als nun die Hochzeit sein sollte, sandte er einen Boten an Isabelle, sie möchte doch kommen und in der Küche behilflich sein. »Wenn es der König wünscht«, lieà sie antworten, »so will ich es gerne tun.«
Zur bestimmten Zeit ging sie hin und half in der Küche, und als alles zum Essen bereit war, lieà ihr der König hinaussagen, ob sie nicht einmal hereinkommen und die neue Braut sehen wollte. Wie sie nun hereintrat, saà da neben dem König eine junge schöne Prinzessin und auch ein junger Prinz. Da sprach der König: »Das ist meine Braut; nun sag, Isabelle, wie gefällt sie dir?« â »O, sehr gut«, sagte sie; aber bei den Worten brach ihr Schmerz hervor, dass sie bitterlich weinen musste. »Weine nicht, Isabelle«, sprach der König und fasste sie bei der Hand; »sieh! die da sitzt, ist nicht meine Braut, sondern unsere Tochter, und da ist auch unser Sohn; sie sind nicht tot, wie du geglaubt hast, sondern gesund und wohl; deine Prüfungszeit ist aus, und nun sollst du wieder frohe Tage haben.« Da sind die Kinder ihrer Mutter um den Hals gefallen und alle haben sie angefangen zu weinen vor lauter Freude. Der König aber und die Königin haben noch einmal Hochzeit gehalten und haben glücklich zusammengelebt bis an ihr Ende.
* Plattdeutsches Sprichwort: Middewiäken (= Mittwoch) is näin dag.
Drei Königskinder
Es war einst ein König, der hatte Befehl gegeben, dass in seinem Reiche abends nach
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