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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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schmerzten den Jäger die Wunden, die ihm die Zwerge geschlagen hatten; er musste aber trotzdem lachen über den Schneider, denn er sah diesen bis auf Hemd und Unterhose ausgezogen vor sich stehen. In der Eile hatte nämlich dieser vergessen sich anzukleiden und war, wie er im Bett gelegen, fortgelaufen. Nun aber fiel es ihm ein, dass er ja den Zauberring hatte. Er drehte ihn, und augenblicklich standen zwei Zwerge vor ihm, die ihm sein zurückgelassenes Gewand hinhielten. Der Schneider nahm das Gewand und zog es an. Die beiden Zwerge aber waren mittlerweile verschwunden.
    Der Jäger war vor Erstaunen fast außer sich und meinte, der Schneider habe mit den Zwergen einen geheimen Bund geschlossen. Seit dieser Zeit war er auch gegen den Schneider immer misstrauisch und suchte seiner loszuwerden.
    Sie mochten wohl schon wieder eine große Strecke Weges zurückgelegt haben, da setzten sie sich unter einem Baume nieder, um auszuruhen von den Beschwerden, die sie gehabt hatten. Der Hunger quälte sie auch nicht wenig und ein gedeckter Tisch wäre da nicht am unrechten Platze gewesen. Der Schneider, der sich fortwährend seines Ringes erinnerte, drehte diesen, und sogleich entstand eine ungeheure Spalte vor ihnen in der Erde. Aus dieser Spalte heraus kamen zuerst vier Zwerge mit einem Tische, den sie vor die beiden Wanderer hinstellten; dann kamen sieben Zwerge mit Speisen und hinter diesen sieben kamen noch fünf, die Esswerkzeuge, Geschirre und Sessel trugen; auch an Wein fehlte es nicht. Ebenso wie die ganze Zwergendienerschaft gekommen, war sie auch wieder verschwunden.
    Der Jäger unterließ diesmal das Staunen, denn der Hunger quälte ihn zu sehr; er fiel vielmehr über die Speisen her und verschlang, was er nur fassen konnte. Nachdem die beiden satt waren, verschwand der Tisch samt Speisen und Geschirren.
    Nun erst fiel es dem Jäger ein, dass die Speisen und sämtlichen Geräte von Zwergen gebracht seien; er erinnerte sich auch zugleich der beiden Zwerge, die dem Schneider das Gewand gebracht hatten, und nun glaubte er desto fester, der Schneider stünde mit den Zwergen im Bunde, und sein Misstrauen wuchs immer mehr.
    Der gutmütige Schneider merkte jedoch von alledem nichts. Merkwürdigerweise war, seit er den Zauberring hatte, alle Furcht aus ihm gewichen und sein Mut übertraf jetzt den des Jägers.
    Sie waren endlich aus dem Walde heraus auf eine Landstraße gekommen. Auf dieser gingen sie nun fort und kamen zu einer Stadt. Als sie in diese eintraten, bemerkten sie in den Gesichtern der Leute Traurigkeit. Sie fragten um die Ursache derselben und erfuhren Folgendes: Es herrschte daselbst ein äußerst hartherziger König. Dessen Tochter sollte heiraten, und er gab den Befehl, dass von sämtlichen Schneidern der Stadt einer nach dem andern ein Kleid für seine Tochter anfertigen solle, und zwar so schön und passend, als es dem Könige erwünscht war. Konnte dies ein Schneider, so stand ihm eine große Belohnung bevor, wenn nicht, wartete seiner der Tod.
    Der Schneider dachte sich: »Schau, da kannst du vielleicht die Schneider dieser Stadt aus ihrer Not retten«, und kehrte bei einem Schneider ein.
    Zufälligerweise war dieser Schneider derjenige, an den die schwere Aufgabe zuerst gestellt war. Als sie in das Haus des Schneiders eintraten, begegneten sie nur Klagenden. Der Schneider sollte nämlich am folgenden Morgen das Kleid zum König bringen, und gefiele es diesem nicht, so würde er nicht mehr nach Hause zu Weib und Kind zurückkehren. Nachdem beide dieses erfahren hatten, versprach der wandernde Schneidergeselle, den bedrängten Schneider zu retten. Er begehrte daher den Stoff; diesen hatte aber der Schneider schon in Stücke zerschnitten, und nun schien die Rettung unmöglich. Aber der Schneidergeselle nahm den Stoff, indem er meinte, das tue nichts zur Sache, und ging mit dem Jäger in das für sie bestimmte Kämmerlein. Abends legte der Schneidergeselle den Stoff auf den Tisch, dann drehte er seinen Ring mit dem Wunsche, dass die Zwerge, während der Schneider mit seiner Familie schlafe, herbeikämen und das Kleid anfertigten; dann legte er sich schlafen.
    Nachts um zwölf Uhr wachte er auf und schon standen zwei Zwerge an seinem Bett, die ihm das fertige Kleid übergaben. Der Schneidergeselle stand auf und übergab das Kleid dem Schneider. Dieser ging zitternd damit zum König. Die Tochter zog das

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