Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
kriegt er ‘nen mächtigen Drang.«
    »Das stimmt«, sagte Pierce. »Bier hat diese Wirkung. Weiter. Verläßt er seinen Posten noch zu irgendeiner anderen Zeit?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Und Sie sind nie eingeschlafen?«
    »Was? Wo ich den ganzen Tag hier in dem schönen Bett schlafen kann, da fragen Sie mich noch, ob ich die Nacht versäusele?«
    »Sie müssen mir die Wahrheit sagen!« ermahnte ihn Pierce, aber ohne großen Nachdruck.
    (Agar sagte später aus: »Pierce stellt ihm die Fragen, verstehen Sie, legt aber nicht zuviel rein in die Fragen, dilldaft ein bißchen, spielt den einfachen Greifenberger, verstehen Sie, zeigt kein Interesse, macht nichts weiter aus der Sache, und er tut das, weil er nicht will, daß der Penner verluachert, daß wir ‘ne zierliche Massematte vorhaben. Wenn der Penner gespannt hätte, was anlag, hätte er lampen können, und dann wären wir seinetwegen in Schwierigkeiten gekommen. Er konnte uns den ›Verdeckten‹ melden, hätte ‘ne Menge Blech dafür kriegen können, aber zum Glück hat der gar nicht das Köpfchen dazu, denn wäre er sonst so ein Zitronenschleifer, he?«
    Diese Aussage versetzte das Gericht in helle Aufregung.
    Als Seine Lordschaft eine Erklärung dieses Kauderwelschs verlangte, sagte Agar mit dem Ausdruck größter Überraschung, er habe sich doch so deutlich ausgedrückt, wie er nur könne. Agar mußte etliche Minuten befragt werden, bis klar wurde, was er gemeint hatte: Pierce hatte also Henson gegenüber den kleinen Taschendieb oder Gelegenheitseinbrecher gespielt, um den Penner zu täuschen. Er sollte nicht erraten, daß der Plan zu einem großen Ding dahintersteckte. Agar hatte auch noch gesagt, Henson hätte eigentlich darauf kommen müssen und sie der Polizei melden können, aber dazu fehle es ihm an Verstand. Dies war nicht die einzige Gelegenheit, bei der unverständliche Gaunersprache den Fortgang des Verfahrens aufhielt.)
    »Ich schwöre, Mr. Pierce«, sagte Henson. »Ich schwöre, ich habe nicht eine Sekunde geschlafen.«
    »Und der Nachtwächter hat seinen Platz nur einmal an jedem Abend verlassen?«
    »Jawohl, und immer zur gleichen Zeit. Man hätte diese Zwiebel« – er hielt die Uhr hoch – »nach ihm stellen können, ehrlich.«
    Pierce dankte Henson, zahlte ihm eine halbe Krone für seine Bemühungen, ließ sich von Henson noch eine weitere halbe Krone abbetteln und schickte den Mann dann weg.
    Als die Tür sich hinter Henson schloß, sagte Pierce zu Barlow, er solle hinterhergehen und dem Burschen »ein bißchen angst machen«. Barlow nickte und verließ das Haus durch einen anderen Ausgang.
    Als Pierce zu Agar zurückkehrte, fragte er: »Also? Ist es zu schaffen?«
    »Vierundsechzig Sekunden«, sagte Agar nachdenklich. »Das ist nicht gerade ein Kinderspiel.«
    »Das habe ich auch nie behauptet«, sagte Pierce. »Sie erzählen mir aber dauernd, daß Sie der beste Vakeuer im ganzen Land sind, und hier ist ein würdiger Prüfstein für Ihre Talente. Schaffen Sie’s, oder schaffen Sie’s nicht?«
    »Vielleicht«, sagte Agar. »Ich muß erst mal ein bißchen üben. Und ich muß mir das Ganze noch mal aus der Nähe ansehen. Können wir einen kleinen Besuch dort machen?«
    »Gern«, sagte Pierce.

Ein dreister Überfall
    »In den letzten Wochen«, schrieb die Illustrated London News am 21. Dezember 1854, »hat die Zahl dreister und brutaler Straßenüberfälle einen besorgniserregenden Umfang angenommen, insbesondere in den Abendstunden. Es hat den Anschein, als sei Mr. Wilsons Vertrauen in die Gasbeleuchtung als Abschreckungsmittel gegen Gewaltverbrechen nicht gerechtfertigt, denn die Schurken werden immer frecher. Sie lauern der nichtsahnenden Bevölkerung mit größter Unverfrorenheit auf. Erst gestern wurde der Konstabler Peter Farrell in eine enge Gasse gelockt, wo eine Bande von Schlägern über ihn herfiel, die ihn verprügelte und ihm alles abnahm, was er bei sich hatte, sogar seine Uniform. Es ist auch erst vierzehn Tage her, daß der Abgeordnete Mr. Parkington auf einem offenen, hell erleuchteten Platz einem gemeinen Überfall zum Opfer gefallen ist. Er befand sich auf dem Wege vom Unterhaus zu seinem Club. Diesem epidemischen Auftreten von Gewaltverbrechen muß von den Behörden endlich mehr Beachtung geschenkt werden.«
    Der Artikel beschäftigte sich sodann mit dem Konstabler, dem es »den Umständen entsprechend« gehe. Er habe ausgesagt, er sei von einer gutgekleideten Dame gerufen worden, die eine Auseinandersetzung mit dem

Weitere Kostenlose Bücher