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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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geblieben. Deshalb kann ich auch nicht wirklich behaupten, ich hätte in Oxford studiert.«
    Tom prüfte mit einem Blick in die Runde, ob wir sein Erstaunen spiegelten. Aber wir schauten alle Gatsby an.
    »Es war ein Angebot, das manchen Offizieren damals nach dem Waffenstillstand gemacht wurde«, fuhr Gatsby fort. »Wir durften an jede beliebige Universität in England oder Frankreich gehen.«
    Ich wäre beinahe aufgestanden und hätte ihm auf die Schulter geklopft. Mein Vertrauen in ihn war voll und ganz wiederhergestellt, wie ich es nun schon ein paarmal erlebt hatte.
    Daisy erhob sich leise lächelnd und ging zum Tisch.
    »Mach den Whiskey auf, Tom«, befahl sie. »Und ich mixe euch einen Mint Julep. Damit ihr euch nicht mehr so dumm vorkommt… Schaut euch die Pfefferminze an!«
    »Moment«, blaffte Tom sie an. »Ich möchte Mr. Gatsby noch eine Frage stellen.«
    »Bitte sehr«, sagte Gatsby höflich.
    »Warum versuchen Sie Unfrieden in meinem Haus zu stiften?«
    Endlich lagen die Karten offen auf dem Tisch, und Gatsby war es recht.
    »Er stiftet keinen Unfrieden.« Daisy blickte verzweifelt von einem zum anderen. »Du stiftest Unfrieden. Bitte nimm dich ein bisschen zusammen.«
    »Mich zusammennehmen!«, wiederholte Tom fassungslos. »Das ist ja wohl das Neuste – ich soll mich lässig zurücklehnen und zuschauen, wie Mr. Irgendwer aus Irgendwo mit meiner Frau schläft? Also, wenn das so ist – da mach ich nicht mit… Die Leute rümpfen heute ja schon die Nase über das Familienleben und die familiären Sitten; als Nächstes werfen sie wahrscheinlich alles über Bord und lassen die Mischehe zwischen Schwarzen und Weißen zu.«
    Von seinem eigenen leidenschaftlichen Geschwafel erhitzt, sah er sich allein am letzten Grenzposten der Zivilisation stehen.
    »Wir sind hier alle weiß«, murmelte Jordan.
    »Mir ist klar, dass ich nicht sehr beliebt bin. Ich gebe keine großen Partys. Offenbar muss man sein Haus in einen Schweinestall verwandeln, wenn man Freunde haben will – in der heutigen Welt.«
    So peinlich mir das alles war, und das war es uns allen, musste ich mir doch das Lachen verbeißen, sobald er den Mund aufmachte – die Wandlung vom Freigeist zum Tugendbold war einfach verblüffend.
    »Jetzt möchte ich Ihnen mal was sagen, alter Knabe –«, hob Gatsby an. Doch Daisy ahnte, was er vorhatte.
    »Bitte nicht!«, unterbrach sie ihn verzweifelt. »Bitte lass uns alle nach Hause fahren! Warum fahren wir nicht einfach nach Hause?«
    »Das ist eine gute Idee.« Ich stand auf. »Komm mit, Tom. Keiner von uns möchte einen Drink.«
    »Ich möchte aber wissen, was Mr. Gatsby mir zu sagen hat.«
    »Ihre Frau liebt Sie nicht«, sagte Gatsby ruhig. »Sie hat Sie nie geliebt. Sie liebt mich.«
    »Sie sind wohl verrückt!«, rief Tom unwillkürlich aus.
    Gatsby sprang voll innerer Erregung auf.
    »Sie hat Sie nie geliebt, hören Sie?«, rief er. »Sie hat Sie nur geheiratet, weil ich arm war und sie nicht länger auf mich warten mochte. Es war ein schrecklicher Fehler, aber in ihrem Herzen hat sie nie einen anderen geliebt als mich!«
    An dieser Stelle wollten Jordan und ich gehen, doch Tom und Gatsby versuchten, einer hartnäckiger als der andere, uns zum Bleiben zu bewegen – als ob keiner von ihnen etwas zu verbergen hätte, ja als wäre es ein Privileg, als Zuschauer an ihren Gefühlen teilzuhaben.
    »Setz dich, Daisy.« Toms Stimme rang vergebens um einen väterlichen Ton. »Was ist los? Ich möchte alles wissen.«
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, was los ist«, sagte Gatsby. »Was seit fünf Jahren los ist – und Sie wussten es nicht.«
    Tom schaute Daisy scharf an.
    »Du triffst dich seit fünf Jahren mit diesem Kerl?«
    »Das nicht«, sagte Gatsby. »Nein, treffen konnten wir uns nicht. Aber wir haben uns die ganze Zeit geliebt, alter Knabe, und Sie haben es nicht gewusst. Ich musste manchmal lachen –«, doch da war kein Lachen in seinen Augen, »wenn ich daran dachte, dass Sie nichts wussten.«
    »Ach – das ist alles.« Tom legte wie ein Pfaffe seine dicken Finger aneinander und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    »Sie sind verrückt!«, polterte er. »Was vor fünf Jahren passiert ist, darüber kann ich nichts sagen, da kannte ich Daisy noch nicht – und ich fresse einen Besen, wenn Sie damals auch nur bis auf einen Kilometer an sie herangekommen sind, es sei denn, Sie haben die Lebensmittel an die Hintertür geliefert. Aber alles andere ist eine gottverdammte Lüge. Daisy liebte mich, als wir

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