Der große Gatsby (German Edition)
geheiratet haben, und sie liebt mich auch jetzt.«
»Nein«, sagte Gatsby und schüttelte den Kopf.
»O doch. Das einzige Problem ist, dass sie gelegentlich auf merkwürdige Ideen kommt und nicht mehr weiß, was sie tut.« Er nickte weise. »Und was wichtiger ist: Ich liebe Daisy ebenfalls. Ich erlaube mir wohl mal die eine oder andere Eskapade und benehme mich wie ein Idiot, aber ich komme immer wieder zurück, und in meinem Herzen habe ich immer nur Daisy geliebt.«
»Du bist widerlich«, sagte Daisy. Sie wandte sich mir zu, und ihre Stimme, die jetzt eine Oktave tiefer sank, erfüllte den Raum mit bebendem Hohn: »Weißt du, Nick, warum wir aus Chicago weggezogen sind? Ich bin überrascht, dass dir die Geschichte dieser kleinen Eskapade bisher vorenthalten wurde.«
Gatsby ging zu ihr hinüber und stellte sich neben sie.
»Daisy, das ist jetzt alles vorbei«, sagte er ernst. »Es spielt keine Rolle mehr. Sag ihm einfach die Wahrheit – dass du ihn nie geliebt hast –, und alles ist für immer ausgelöscht.«
Sie sah ihn aus blinden Augen an. »Wie konnte… ich ihn… bloß jemals lieben?«
»Du hast ihn nie geliebt.«
Sie zögerte. Ihr Blick wanderte ein wenig flehentlich zu Jordan und mir, als merkte sie erst jetzt, was sie hier tat – und als hätte sie das nie gewollt. Aber jetzt war es geschehen. Es war zu spät.
»Ich habe ihn nie geliebt«, sagte sie mit spürbarem Widerstreben.
»Auch nicht in Kapiolani?«, fragte Tom plötzlich.
»Nein.«
Aus dem Ballsaal drangen gedämpfte, erstickte Akkorde auf Wellen heißer Luft zu uns herauf.
»Oder als ich dich vom Punch Bowl heruntergetragen habe, damit deine Schuhe nicht nass wurden?« In seinem Ton lag eine rauhe Zärtlichkeit. »…Daisy?«
»Bitte nicht.« Ihre Stimme war kalt, aber aller Groll war daraus verschwunden. Sie schaute Gatsby an. »Da, Jay«, sagte sie – aber als sie sich eine Zigarette anzuzünden versuchte, zitterte ihre Hand. Plötzlich warf sie die Zigarette und das brennende Streichholz auf den Teppich.
»Ach, du willst zu viel!«, sagte sie zu Gatsby. »Ich liebe dich jetzt – reicht das denn nicht? Ich kann nicht ändern, was einmal war.« Sie fing hilflos an zu weinen. »Ich habe ihn einmal geliebt – aber dich habe ich auch geliebt.«
Gatsbys Lider hoben und senkten sich.
»Du hast mich auch geliebt?«, wiederholte er.
»Selbst das ist eine Lüge«, sagte Tom grimmig. »Sie wusste ja gar nicht, dass Sie noch am Leben waren. Tja – es gibt Dinge zwischen Daisy und mir, von denen Sie nie erfahren werden und die keiner von uns je vergessen kann.«
Die Wörter schienen Gatsby regelrecht zu schneiden.
»Ich möchte allein mit Daisy sprechen«, sagte er. »Sie ist ganz außer sich…«
»Auch wenn wir allein sind, kann ich nicht sagen, ich hätte Tom nie geliebt«, gab sie mit kläglicher Stimme zu. »Es wäre nicht wahr.«
»Natürlich nicht«, bestätigte Tom.
Sie schaute ihren Mann an.
»Als ob dir das etwas bedeutete«, sagte sie.
»Natürlich bedeutet es mir etwas! Von jetzt an werde ich mich mehr um dich kümmern.«
»Sie haben es offenbar noch nicht verstanden«, sagte Gatsby mit einem Hauch von Panik. »Sie werden sich überhaupt nicht mehr um sie kümmern.«
»Ach nein?« Tom machte die Augen weit auf und lachte. Jetzt konnte er es sich leisten, sich zusammenzunehmen. »Und wieso nicht?«
»Daisy wird Sie verlassen.«
»Unsinn.«
»Doch, das werde ich«, sagte sie mit sichtlicher Anstrengung.
»Sie wird mich nicht verlassen!« Toms Worte beugten sich plötzlich tief über Gatsby. »Ganz bestimmt nicht für einen gewöhnlichen Schwindler, der den Ring, den er ihr anstecken wollte, erst stehlen müsste!«
»Hört auf damit!«, schrie Daisy. »Oh, lasst uns doch bitte hier weggehen!«
»Wer sind Sie überhaupt?«, fuhr Tom fort. »Sie gehören doch zu dieser Clique um Meyer Wolfshiem – so viel weiß ich zufällig. Ich habe ein paar Nachforschungen über Ihre Geschäfte angestellt – und morgen werde ich noch tiefer graben!!«
»Nur zu, alter Knabe«, sagte Gatsby gleichmütig.
»Ich habe herausgefunden, welcher Art Ihre ›Drugstores‹ waren.« Er wandte sich jetzt an uns und sprach schnell. »Er und dieser Wolfshiem haben hier und in Chicago eine Menge kleiner Drugstores aufgekauft und Äthylalkohol über den Tresen vertrieben. Das ist nur eins seiner Bravourstückchen. Ich habe ihn auf den ersten Blick für einen Alkoholschmuggler gehalten und hatte nicht unrecht damit.«
»Was wollen
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