Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
was er verdiene. In dem Fall war ich allerdings selber schuld, denn er gehörte zu denjenigen, die sich häufig mit Gatsbys Alkohol Mut angetrunken hatten und dann umso heftiger über ihn hergezogen waren, und ich hätte ihn gar nicht erst anrufen sollen.
    Am Morgen der Beerdigung fuhr ich nach New York, um Meyer Wolfshiem aufzusuchen; ich sah keine andere Möglichkeit, ihn zu erreichen. Ein Liftboy wies mir den Weg, und ich öffnete eine Tür, auf der »The Swastika Holding Company« stand. Zuerst schien niemand anwesend zu sein, doch nachdem ich ein paarmal vergebens »Hallo!« gerufen hatte, brach hinter einer Trennwand ein Streit aus, und gleich darauf erschien eine hübsche Jüdin in einer Tür und musterte mich mit schwarzen, feindseligen Augen.
    »Keiner da«, sagte sie. »Mr. Wolfshiem ist in Chicago.«
    Der erste Teil war offenkundig unwahr, denn drinnen begann gerade jemand, sehr unmelodisch The Rosary zu pfeifen.
    »Sagen Sie ihm bitte, Mr. Carraway wünsche ihn zu sprechen.«
    »Ich kann ihn schlecht aus Chicago zurückholen, oder?«
    Im selben Moment rief aus dem anderen Raum jemand »Stella!« – es war unverkennbar Wolfshiems Stimme.
    »Hinterlassen Sie eine Nachricht auf dem Schreibtisch«, sagte sie rasch. »Ich gebe sie ihm, sobald er zurückkommt.«
    »Aber ich höre doch, dass er da ist.«
    Sie machte einen Schritt auf mich zu und strich sich mit den Händen empört über die Hüften.
    »Ihr jungen Männer glaubt wohl, ihr könnt euch hier jederzeit Zutritt verschaffen«, schimpfte sie. »Wir haben die Nase voll davon. Wenn ich sage, er ist in Chicago, dann ist er in Chicago.«
    Ich erwähnte Gatsbys Namen.
    »Oh-h!« Sie musterte mich mit neuer Aufmerksamkeit. »Würden Sie – wie war noch gleich Ihr Name?«
    Sie verschwand. Einen Augenblick später erschien Meyer Wolfshiem ernst im Türrahmen und streckte mir beide Hände entgegen. Er zog mich in sein Büro hinein, sagte mit feierlicher Stimme, dies sei ein trauriges Ereignis für uns alle, und bot mir eine Zigarre an.
    »Ich denke an den Tag zurück, als ich ihm zum ersten Mal begegnete«, sagte er. »Ein junger Major, eben aus der Armee raus und von oben bis unten mit Kriegsorden behängt. Er war so abgebrannt, dass er seine Uniform weiter tragen musste, weil er sich nichts anderes kaufen konnte. Irgendwann tauchte er in Winebrenner’s Wettbüro in der Dreiundvierzigsten auf und bat mich um einen Job; da hab ich ihn zum ersten Mal gesehen. Er hatte ein paar Tage lang nix zu beißen gehabt. ›Kommen Sie, wir gehen was essen‹, hab ich gesagt. Innerhalb einer halben Stunde hatte er für über vier Dollar Essen in sich reingeschaufelt.«
    »Haben Sie ihn in die Geschäftswelt eingeführt?«
    »Eingeführt? Ich hab ihn gemacht!«
    »Oh.«
    »Ich hab ihn aus dem Nichts geholt, direkt aus der Gosse. Ich hab gleich gesehen, das ist ein ganz vornehmer, feiner junger Herr, und als er mir erzählte, er wär in Oggsford gewesen, wusste ich, dass ich ihn brauchen konnte. Ich hab ihn dazu gebracht, in die American Legion einzutreten, wo er nachher ein ganz hohes Ansehen hatte. Gleich als Erstes hat er für einen meiner Kunden oben in Albany was erledigt. Wir waren so dicke, in allem…« – er hielt zwei kurze Wurstfinger hoch –, »immer zusammen.«
    Ich fragte mich, ob diese Partnerschaft auch den World’s-Series-Coup im Jahr 1919 eingeschlossen hatte.
    »Und jetzt ist er tot«, sagte ich nach einer kurzen Pause. »Sie waren sein engster Freund, Sie kommen doch bestimmt heute Nachmittag zu seiner Beerdigung.«
    »Würde ich ja gerne.«
    »Dann tun Sie’s.«
    Die Haare in seiner Nase zitterten ein wenig, und als er den Kopf schüttelte, füllten sich seine Augen mit Tränen.
    »Das geht nicht – ich kann’s mir nicht erlauben, in irgendwas reingezogen zu werden«, sagte er.
    »Sie können nirgends mehr hineingezogen werden. Es ist alles vorbei.«
    »Wenn einer umgebracht wird, will ich damit nichts zu tun haben, auf keinen Fall. Da halt ich mich lieber raus. Als ich jünger war, hab ich das noch anders gesehen – wenn ein Freund von mir starb, egal wie, hab ich ihm bis zum Ende die Treue gehalten. Sie finden das vielleicht sentimental, aber es war so – bis zum bitteren Ende.«
    Ich begriff, dass er aus irgendeinem Grund entschlossen war, nicht zu kommen, also stand ich auf.
    »Waren Sie auf dem College?«, fragte er mich unvermittelt.
    Ich dachte schon, er wolle mir »Gondagde« anbieten, aber er nickte nur und schüttelte mir die

Weitere Kostenlose Bücher