Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
bestimmte Lagen vorgeschrieben, dafür fehlen stilistische Vorgaben.
In Frankreich, Italien und anderen Ländern sind niedrige Erträge in den besten Appellationen ein Muss. In Deutschland dagegen zählt nur das Mostgewicht. Der durchschnittliche Ertrag ist von 25 Hektoliter pro Hektar im Jahr 1900 und 40 im Jahr 1939 auf über 100 in den 1970 ern gestiegen. Im Spitzenjahr 1982 lag das Mittel bei 173 Hektoliter pro Hektar, der Rekordwert sogar bei fast 400 Hektoliter. Diese Zahlen aber beziehen sich auf den landesweiten Durchschnitt einschließlich der Kellereigenossenschaften, in denen sowieso alles möglich ist. Seit 1989 hat man die Gesetze verschärft, um so lächerlich hohe Erträge zu vermeiden. Gleichwohl sind die Bestimmungen noch immer kaum vereinbar mit der Produktion von qualitativ hochwertigem Wein. 2006 belief sich der Schnitt im Rheingau auf 72 Hektoliter pro Hektar, in Württemberg auf 105 Hektoliter. Doch wie ernst kann man ein Gesetz nehmen, das die Verrechnung der Übererträge eines Jahres mit denen des nächsten zulässt? Der politische Wille zur Einschränkung der Überproduktion scheint nicht allzu ausgeprägt zu sein. Alle qualitätsbewussten Erzeuger halten aber inzwischen Ertragsobergrenzen ein, die weit unter den gesetzlichen Höchstwerten liegen.
Maximin Grünhaus und Robert Weil beschränken sich auf 55 Hektoliter pro Hektar, Dr. Loosen auf 50 Hektoliter, Egon Müller und das Schlossgut Diel sogar nur auf 45 Hektoliter.
Sehr bedenklich ist auch, dass Winzer durch den vorgeschriebenen Mindestreifegrad für Auslesen und andere Spitzenkategorien dazu verleitet werden, sich auf die Erfüllung dieser Mindestanforderungen zu beschränken. Nach den alten Regeln konnten ehrgeizige Kellermeister bessere Erzeugnisse als »fein« oder »feinste Auslese« von Standardauslesen unterscheiden. Natürlich wurde mit diesen Bezeichnungen Missbrauch getrieben, aber sie waren auch ein gerechter Lohn für anspruchsvolle Perfektionisten. Diese lassen ihre Kunden heute immer noch wissen, welche ihrer Fässer den besten Wein enthalten, aber oft in Form einer obskuren Kennzeichnung mit Goldkapseln oder langen Goldkapseln, die sich dem Uneingeweihten nicht erschließt und schon allein deshalb ebenfalls missbrauchsgefährdet ist. Um Zweifel an der Qualität oder Authentizität von QbAs und QmPs auszuräumen, wird jeder Wein einer offiziellen Analyse und Geschmacksprüfung unterzogen und danach mit einer Amtlichen Prüfnummer (AP-Nummer) auf dem Etikett versehen. Sie wird jeder Abfüllung zuerkannt, die 1,5 von 5 Punkten erreicht, was nicht gerade auf hohe Ansprüche schließen lässt. Bei der amtlichen Verkostung wird ein einheitliches Punktesystem angewandt, das auch der Vergabe von goldenen, silbernen und bronzenen Preismünzen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) und der regionalen Landwirtschaftsverbände zugrunde liegt. Doch auch hier werden die eigentlichen Maßstäbe durch die selbstauferlegten Kriterien qualitätsbewusster Erzeuger gesetzt. In diesem Bereich hat der VDP mit Anforderungen, die weit strenger sind als die von staatlicher Seite, die Führungsrolle übernommen. Mitglieder im VDP – derzeit sind es rund 200 – können alle Winzer werden, die sich zur Selbstdisziplin verpflichten. Die Standards werden genau überwacht, und wer sich nicht daran hält, wird ausgeschlossen. Der VDP hat auch die längst überfällige, aber immer noch nicht gesetzlich verankerte Klassifizierung deutscher Lagen (siehe Kasten) vorangetrieben. Die Zukunft des deutschen Qualitätsweinbaus ruht auf den Schultern des VDP und seiner Mitglieder.
DIE NEUE KLASSIFIKATION
In den 1980 er-Jahren versuchten fortschrittliche Erzeuger vor allem im Rheingau einige der vom deutschen Weingesetz von 1971 angerichteten Schäden wiedergutzumachen, indem sie eine Lagenhierarchie einführten. Niemand, so ihr Argument, könne sich 3000 Einzellagen merken. Besser sei es, die hochwertigsten Weinberge ins Rampenlicht zu rücken und die Namen der schlechteren fallen zu lassen, indem man sie zu Orts- oder Gutsweinen verschneide. Als Basis dieser Klassifikation in Deutschland sollten Karten aus dem 19. Jahrhundert dienen, auf denen die Steuer für jede Lage angegeben war: je besser die Lage, desto höher die Abgaben. Keine exakte Qualitätsrichtschnur, aber eine ordentliche Grundlage für eine Klassifikation.
Die Vorschläge aus dem Rheingau ergaben einen Sinn, stießen aber verständlicherweise vor allem bei guten Erzeugern auf
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