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Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete

Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete

Titel: Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Johnson
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präsent.
    Der Abstieg begann mit dem Deutschen Weingesetz von 1971, das – Ironie des Schicksals – mit einem wahrhaft großartigen Jahrgang zusammenfiel. Dieses Rechtsgebilde kam ganz klar den Schwächsten zugute, nämlich den Genossenschaftsmitgliedern, deren Stimme sich die Politiker wohl sichern wollten.
    Das neue Gesetz erlaubte es ihnen, ihren Wein mit wohlklingenden Namen zu schmücken, die kaum etwas mit seinem Usprung zu tun hatten. Das Wort »Qualität« durfte auch dort verwendet werden, wo es gerade das Gegenteil bedeutete. Gleichzeitig verkamen so aussagekräftige Bezeichnungen wie »Auslese« zu einer reinen Angabe des Zuckergehalts. Ertragsbeschränkungen waren nicht vorgesehen, sodass viele, ja, die meisten Abfüllungen bald wie Zuckerwasser schmeckten – mit der Betonung auf »Wasser«. Alle Rebflächen wurden in völliger Missachtung jahrhundertealter Stil- und Qualitätsunterschiede zwischen den Lagen über einen Kamm geschoren. Mit der Güte des Weins sackte auch sein Preis auf ein Niveau ab, das ihn zu einem der billigsten Rebprodukte in ganz Europa machte.
    Die besten deutschen Erzeuger und Winzerverbände wie der Verband deutscher Prädikats-und Qualitätsweingüter (VDP) – im Jahr 2000 in »VDP. Die Prädikatsweingüter« umbenannt – sind sich über diesen unglücklichen Zustand seit vielen Jahren im Klaren und bewusst einen anderen Weg gegangen. Sie umgingen die rechtlichen Mindestanforderungen, die sie für katastrophal weitgefasst halten. Der VDP und eine Reihe unabhängiger, qualitätsbewusster Winzer haben sich mächtig ins Zeug gelegt, um dem deutschen Wein wieder zu seiner einst glorreichen Reputation zu verhelfen, mussten sich dabei jedoch oft den Vorwurf anhören, zu elitär zu denken. Weil es aber kein rechtliches Rahmenwerk wie die italienische DOC oder die französische AC gibt, die allgemeingültige Vorschriften festlegen kann, haben sie keine Wahl. Die Qualität des deutschen Weins im obersten Segment ist unbestritten herausragend, selbst wenn manche Märkte wie der britische entschlossen scheinen, diese Tatsache zu ignorieren.
    Die meisten deutschen Rebflächen befinden sich sehr weit im Norden, weshalb der Wahl des Weinbergs große Bedeutung zukommt. Man denke nur an die großartigen Moselschleifen, wo die Sonneneinstrahlung stärker von der Form, Steilheit und Ausrichtung des Hangs abhängt als anderswo auf der Welt. Riesling braucht hier stark durchlässige Schieferböden, um auszureifen. Jeder kennt die Vorzüge der besten Lagen und weiß, dass es unmöglich ist, Reben an Nordflanken oder auf flachem Schwemmland anzubauen.
    Ein Vergleich mit der Côte d’Or in Burgund bietet sich an. Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Côte minutiös in Grands Crus, Premiers Crus und Villages-Rebflächen untergliedert. Die offizielle deutsche Linie hingegen hält diese exakte Festlegung natürlicher Vorzüge für elitär und undemokratisch. Doch das ist noch nicht alles: Obwohl Deutschland mit dem Riesling einen echten Trumpf in der Hand hat, machten die Behörden mit Großerzeugern und Winzergenossenschaften gemeinsame Sache und erlaubten die Etikettierung von minderwertigen Rebsorten wie Müller-Thurgau mit historischen Lagennamen wie »Bernkasteler« oder »Piesporter«, selbst wenn sie keinen Tropfen Riesling enthielten. Wenn schon ein Anbaugebiet selbst seinen guten Namen nicht schützt, wird es auch niemand sonst tun. Jedes französische Syndicat sieht sich als Wahrerin seiner Appellation, in Deutschland aber gibt es keine Appellation. Und genau da liegt der Hund begraben. In Deutschland ist – aus verständlichen Gründen – die Reife alles. Sämtliche deutschen Qualitätskriterien, zumindest die vom Staat vorgegebenen, basieren auf dem Zuckergehalt zur Lesezeit. Mit Ausnahme des Rheingaus gibt es kein offizielles Rebflächen-Ranking wie in Frankreich und keine speziellen Traubenvorgaben wie in Italien. Dafür machen deutsche Etiketten sonst eindeutige Angaben, zumindest für Qualitätswein, obwohl die Informationsfülle manchmal mehr verwirrt als aufklärt.
    Das Weingesetz wurde nach 1971 noch mehrfach ergänzt, die Grundzüge blieben jedoch unverändert. Die deutsche Weinhierarchie setzt sich aus drei Ebenen zusammen. Der Tafelwein auf der untersten Ebene unterliegt einer relativ geringen Kontrolle und darf sich daher auch nicht auf Lagennamen berufen. Meist handelt es sich um einen Verschnitt von Weinen, die der Aufzuckerung bedurften. Der einzige formale Aspekt, den es

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