Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
erscheinen, etwa den traditionsgemäß extrem langen Fassausbau. Bis vor einigen Jahren schrieb eine weitere (absurde) Regel vor, dass Chianti Classico einen gewissen Anteil an Weißweintrauben enthalten müsse. Davon konnten zwar Winzer mit großen Beständen an Trebbiano profitieren, aber sicherlich keine auf Sangiovese basierenden Weine. Folglich taten die qualitätsbewussten Erzeuger einfach so, als gäbe es diese Vorschrift nicht. In den nachfolgenden DOC-Listen sind deshalb nicht sämtliche Vorschriften en detail, sondern nur die wichtigsten Merkmale der jeweiligen DOC berücksichtigt. Nun ist nicht auszuschließen, dass bei der für 2009 von der EU geplanten Revision der Weinkategorien und Denominationen viele, wenn nicht gar sämtliche DOCs ausgemustert werden, und man darf gespannt sein, wie die Italiener darauf reagieren.
Das DOC-System ist insofern ein Paradox, als es eine Tradition zementiert, das heißt, einen bestimmten Typ Wein zu einem bestimmten Zeitpunkt so und nicht anders definiert – und dies in einer Zeit, in der Weinbau und Kellertechnik einen Stand erreicht haben, von dem man früher nicht einmal zu träumen wagte, in der Kalifornien (in dieser Hinsicht ein Extrembeispiel) vormacht, was es bedeuten kann, Freiheiten zu nutzen, die Jahr um Jahr zu noch aufregenderen Weinen führen. Dem Leser dieses Buchs sei daher geraten, keinen kategorischen Unterschied zwischen DOC- und anderen Weinen zu machen, sondern sich lediglich vor Augen zu halten, dass DOC-Weine »traditionell« bereitet und amtlichen Vorschriften unterworfen sind.
Als weiterer Schritt zur Regulierung mancher DOCs wurde die zusätzliche Kategorie DOCG eingerichtet.
Das »G« steht für garantita und könnte zu dem Schluss verleiten, diese Weine seien garantiert die besten Italiens. Jedenfalls sind sie Spitze, was die Kontrolle ihres Ursprungs betrifft. Barbaresco, Barolo, Brunello di Montalcino und Vino Nobile di Montepulciano erhielten als Erste das DOCG-Prädikat. Es folgte Albana di Romagna, bei dem man sich fragt, wie ernst das »G« zu nehmen ist. Einige Ernennungen jüngeren Datums sind wohl ebenso als Politikum wie als qualitatives Statement zu werten.
Es ist schwer, den gegenwärtigen Zustand des italienischen Weinbaus in wenigen Worten zusammenzufassen. Investitionen in moderne Ausrüstungen und neue Ideen haben in jüngster Zeit wunderbare Ergebnisse gezeitigt, aber auch gute alte Freunde ihres Charakters beraubt. Bis jetzt hat die moderne Schule sowohl außerordentlich langweilige als auch höchst brillante Weine hervorgebracht. Wer fürchtete, Italien würde in einer Flut internationaler Rebsorten ertrinken, wurde eines Besseren belehrt. Italienische Erzeuger haben sich zwar an Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay und Syrah versucht, sind jedoch trotzdem ihren traditionellen Rebsorten treu geblieben. Es muss bei den Rebsorten, im Keller und in allen Phasen der Bereitung einen Mittelweg zwischen Tradition und Fortschritt geben, und Italien ist eifrig auf der Suche danach.
Stärkt das aktuelle DOC/DOCG-System die Tradition, befördern die lockerer gefassten Regeln der IGT-Kategorie die Innovation. Für welchen Weg sich die Erzeuger entscheiden oder ob sie gar zweigleisig fahren wollen, bleibt ihnen freigestellt. Dass diese Konstellation fast nur positive Auswirkungen hat, dürfte niemand bestreiten. In Regionen mit langer Weinbaugeschichte wie Piemont oder der Toskana war die Qualität im oberen Produktsegment nie höher, und in solchen, die einst der Inbegriff der Mittelmäßigkeit waren, wird das gegebene Potenzial – in Sizilien etwa die sonnendurchglühten Rebhänge – nun endlich genutzt. Friaul und Südtirol erregen mit ihren Weißweinen, früher nicht gerade eine Stärke Italiens, heute international höchste Aufmerksamkeit, und Aufsteiger wie Kampanien sind ihnen dicht auf den Fersen. Anlass zur Klage gibt lediglich die Neigung zum laxen Umgang mit den Vorschriften, ob sich nun ein Winzer »in guter Absicht« über die DOC-Regeln hinwegsetzt, weil sie seines Erachtens der Qualität seines Weins schaden, oder ob aus krimineller Profitgier übel gepanscht wird. Alles in allem steht jedoch fest, dass sich Italien zu einem dynamischen Weinland gemausert hat, das in Europa seinesgleichen sucht.
Der folgende Überblick soll das Erkennen und Beurteilen italienischer Weine möglichst einfach machen. Jeder der 20 Regionen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Im ersten Teil werden jeweils die Weine der Region in
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