Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
21.Jahrhunderts entstand in Bordeaux, darüber war man sich einig, viel zu viel Wein von mittelmäßiger Qualität. Die ausgesprochen niedrigen Preise vor allem der einfachen Weißen veranlassten die Behörden, Erzeugern Ausgleichszahlungen für die Rodung minderwertiger Lagen anzubieten. Daraufhin sank die Gesamtrebfläche – allerdings nicht so stark, wie man erhofft hatte: 2006 standen noch 121 496 Hektar unter Reben, nur 2000 Hektar weniger als im Vorjahr.
2007 gingen 32 Prozent der Produktion in Bordeaux in den Export. Allerdings liegt der Anteil bei Spitzengewächsen, etwa aus Pauillac, Graves oder Margaux, wesentlich höher. Die Region ist heute mehr denn je Rotweinland – mit weißen Rebsorten sind nur noch elf Prozent der Anbaufläche bestockt. Unterscheiden lassen sich im Wesentlichen vier Weinstile: leichte Alltagsrote, feine Rote, trockene Weiße und weiße Süßweine.
Über die erste Kategorie gibt es nicht viel zu sagen – außer, dass das Angebot enorm ist und von herrlich wohlschmeckenden über passable bis hin zu schlechten, wässrigen Erzeugnissen reicht. Feilgeboten werden sie unter einem Markennamen oder als Abfüllungen sogenannter petits châteaux .
Wirklich feine Bordeaux-Weine aber sind eine Klasse für sich, nämlich ungleich konzentriertere, in Eiche ausgebaute Produkte, die mehrere Jahre im Keller gelagert werden müssen, bis sie die rechte Reife erlangen. Gerade auf diesem Qualitätsniveau schlagen sich die Unterschiede zwischen Böden und Lagen mit bemerkenswerter Deutlichkeit in Geschmack und Alterungsfähigkeit nieder. Das Appellations- und Klassifikationssystem spiegelt die Unterschiede mehr oder weniger akkurat wider. Noch eindrucksvoller aber sind die Mengen, die aus dem oberen Segment in Umlauf geraten: Auf zwei Alltagsrote kommt fast ein Spitzenerzeugnis.
Die trockenen Weißen spielen vorwiegend in derselben Liga wie die leichten Roten. Immer häufiger aber erreichen sie die Klasse feiner weißer Burgunder – vor allem, wenn sie aus der Anbauzone Pessac-Léognon südlich der Stadt Bordeaux kommen. Dank ausgefeilter Weinbaumethoden entlockt man den traditionellen weißen Rebsorten viel Charakter, und die Vergärung in Eiche verleiht ihnen zusätzlich Statur. Süße Weiße sind ein Tropfen im Weinmeer des Bordelais: Lediglich eine von 60 Flaschen ist dieser Kategorie zuzuordnen, in der man Elixiere von überragender Qualität findet.
Obwohl die Preisschere zwischen renommierten Abfüllungen und der einfacheren Masse mit jedem Jahr weiter auseinanderzugehen scheint, wird der qualitative Abstand geringer.
Selbst in bescheideneren Appellationen kommen mittlerweile Weinbau- und Bereitungsmethoden zur Anwendung, die früher den Standard von Spitzenerzeugnissen hoben. Bordeaux-Freunde, die von den unerbittlich steigenden Preisen abgeschreckt werden, sollten sich aufstrebenden Subregionen wie den Côtes de Castillon, Fronsac, Lalande-de-Pomerol und Graves zuwenden, in denen man oftmals hohe Qualität zu überaus erschwinglichen Preisen findet.
Jeder Jahrgang in Bordeaux ist von den Launen der Witterung abhängig. Das unberechenbare maritime Klima gibt mehr als alle anderen Faktoren den Qualitätsausschlag. In einem großen Jahr wie 2005 erreicht mitunter selbst der gewöhnlichste Wein eine ungewöhnliche Dynamik; umgekehrt kann eine richtig schlechte Saison das Angebot an feinen Kreszenzen auf einen traurigen Rest dezimieren – und bei den Süßweinen sogar eine Nullrunde erzwingen.
BORDEAUX IN ZAHLEN
Von 1963 bis 1993 ging die AC-Fläche in Bordeaux zurück. In letzter Zeit allerdings war trotz staatlicher Anreize für die Rodung minderwertiger Weinberge wieder ein Anstieg zu verzeichnen. 2007 erreichte die Gesamtfläche 123 334 Hektar bei einer Produktion von 5,7 Millionen Hektolitern. 89 Prozent des Ausstoßes entfallen auf Rotwein. Der Anteil der Weißweine dagegen ist dramatisch gesunken – von 60 Prozent in den 1950er-Jahren auf elf Prozent im Jahr 2007.
Für rund ein Viertel der Produktion zeichnen 52 Genossenschaftskellereien verantwortlich. Die Zahl der privaten Güter schrumpft unaufhaltsam: Lag sie 1950 bei 60 327, betrug sie 1994 noch 13 957 – ein Rückgang um 77 Prozent.
2007 erzeugten sogar nur mehr 10 000 Güter Wein.
Mit dieser Konzentration der Besitzverhältnisse geht jedoch eine Steigerung der Produktivität einher: In den 1950er-Jahren belief sich der Durchschnittsertrag auf ungefähr 30 Hektoliter pro Hektar (wobei allerdings auch ein so
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