Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
katastrophales Frostjahr wie 1956 berücksichtigt werden muss), während die Winzer von 1985 bis 1994 ein Mittel von 52 hl/ha verbuchten. Desaströse Jahre sind aber nach wie vor nicht ausgeschlossen, wie 1991 zeigt, als Frühjahrsfröste zwei Drittel der Ernte vernichteten. In guten Lagen streben die Weinbauern Erträge zwischen 40 und 50 hl/ha, in weniger guten 50 bis 60 hl/ha an.
Klassifikationen
Im Grund sind schon die Appellationen von Bordeaux eine Art qualitativer Vor-Klassifikation der Weine: Je enger man die Grenzen gezogen hat, desto höher ist das generelle Niveau der umrissenen Zone. Eine genauere Gesamtbewertung gibt es nicht: Alle präziseren Rangordnungen gelten nur für einen bestimmten Bereich und stehen in keinerlei Beziehung zueinander. Am meisten Aussagekraft hat ein Vergleich der Preise.
Diese Methode kam denn auch bei der Erstellung der ersten und berühmtesten Klassifikation zur Anwendung, nämlich jener, die für die Weltausstellung von 1855 in Paris für das Médoc erarbeitet wurde. Man orientierte sich dabei am Durchschnittspreis, den jeder Wein über einen langen Zeitraum erzielte – zum Teil bis zu 100 Jahren –, zog jedoch auch die jüngsten Ergebnisse sowie den aktuellen Zustand des Guts in Betracht. Die Liste gilt noch heute, nach 150 Jahren, als entscheidender Vergleichsmaßstab. Zweifellos wurde bei der ursprünglichen Klassifizierung ein Großteil des besten Anbauareals im Médoc als solches ausgewiesen. Was die Eigentümer später damit anstellten, spielte eine nicht so große Rolle wie die hervorragende Qualität der Kiesbänke, für deren Bepflanzung sich die Pioniere einst entschieden hatten.
Das Château-Modell
Klassifizierungseinheit ist in Bordeaux nicht wie in Burgund das Land, sondern das Weingut oder Château. Wenn ein Gutsbesitzer von einem besser oder schlechter eingestuften Nachbarn Grund kauft und ihn seinem Besitztum hinzufügt, dann wird dieses Stück Land bei entsprechender Eignung dieselbe Einstufung wie die bereits in Château-Besitz befindlichen Anbauflächen bekommen. Weinberge können also bei einem Besitzerwechsel die Rangskala nach oben oder unten klettern.
Als Beispiel sei Château Gloria genannt, ein vorzügliches Gut in St-Julien. Es entstand nach dem Zweiten Weltkrieg durch Aufkauf von Land benachbarter Crus Classés. Vor der Veräußerung waren die Rebgärten also klassifiziert, aber weil der neue Eigentümer ein in keiner Rangskala vertretenes Château besaß, wurden sie auf Cru-Bourgeois-Ebene heruntergestuft.
Umgekehrt erweiterten viele klassifizierte Betriebe ihre Besitztümer durch Aufkauf angrenzender Cru-Bourgeois-Flächen. Als die Rothschilds auf Château Lafite das Nachbargut Château Duhart-Milon erwarben, hätten sie theoretisch den gesamten dort bereiteten Wein als Lafite ausgeben können.
Begründen lässt sich diese scheinbare Ungerechtigkeit damit, dass ein Château eher als Marke anzusehen ist denn als ein Stück Land. Seine Identität und kontinuierliche Qualität hängen letztendlich von den Entscheidungen des Besitzers ab. Wie ernst Eigentümer diese Verantwortung nehmen, lässt sich an der wachsenden Zahl von »Zweitweinen« ermessen – Erzeugnissen aus Posten, die den selbstauferlegten Qualitätsmaßstäben nicht ganz genügen.
1855 wurde mit Ausnahme von Château Haut-Brion in Graves nur das Médoc klassifiziert. Die Rangfolge ist in fünf Klassen unterteilt, wobei betont wird, dass die Auflistung innerhalb der Klassen keine Bedeutung hat. Nur ein einziges Mal wurde bisher eine Änderung vorgenommen: 1973 erhob man Mouton-Rothschild vom Deuxième Cru in den Rang eines Premier Cru.
St-Emilion hat ein anderes System. Dort wird die Klassifikation mit Grands Crus Classés und den noch höherwertigen Premiers Grands Crus Classés ungefähr alle zehn Jahre überarbeitet – das letzte Mal 2006. Einige Besitzer herabgestufter Güter gingen gerichtlich gegen die neue Rangordnung vor, woraufhin sie bis auf Weiteres für ungültig erklärt wurde.
Crus Bourgeois und Petits Châteaux
Die besten nicht klassifizierten Médoc-Güter wurden 1932 unter dem Begriff Crus Bourgeois zusammengefasst. Im Lauf der Jahrzehnte aber schwoll die Zahl der Güter stark an. Heute ist das Prädikat kein verlässliches Qualitätskriterium mehr. Das gilt auch für die Bezeichnungen Cru Artisan und Cru Paysan.
Sie werden gelegentlich für Weingüter verwendet, die in ihrer Qualität und Größe hinter Betrieben der Cru-Bourgeois-Stufe
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