Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
hatte –, stießen unternehmungslustige Händler von Porto aus über das Douro-Tal ins zerklüftete Landesinnere vor. Weiß der Himmel, was sie davon überzeugte, sich ausgerechnet dort niederzulassen, denn sie hätten sich kaum eine schwierigere, unzugänglichere Gegend mit extremeren Klimabedingungen aussuchen können. Sie begannen bei Régua etwa 95 Kilometer – oder drei Tagesreisen mit dem Maulesel – stromaufwärts von Porto, wo der Corgo in den Douro mündet. Als sie merkten, dass der Wein umso besser wurde, je höher sie hinaufkamen, legten sie an den steilen Berghängen am Douro und seinen Nebenflüssen Távora, Torto, Pinhão und Tua Terrassen an. Bald waren die Hänge mit weiß gestrichenen Quintas (Gütern) übersät, denn der dünne, trockene Boden aus Granit und Schiefer erwies sich als außerordentlich fruchtbar. Heute sind nicht nur die Trauben, sondern auch die Nüsse, Mandeln und sogar das Gemüse aus dem Douro-Tal berühmt.
Der erste Port muss ein starker, trockener Roter gewesen sein, der durch die ein, zwei Eimer Branntwein, die ihn für die Schiffsreise wappneten, noch stärker wurde. Bei den britischen Rotweinliebhabern indes fand er keinen Anklang – sie beklagten sich bitterlich. Die Händler bemühten sich aber weiter und kamen irgendwann im 18.Jahrhundert auf die Idee, die Gärung mit Branntwein zu stoppen, solange der Wein noch süß und fruchtig war. Es ist nicht historisch gesichert, wann das gängige Praxis wurde, denn noch um 1840 drängte der einflussreichste britische Porthändler aller Zeiten, der später für seine Verdienste in den portugiesischen Adelsstand erhobene James Forrester, auf die Rückkehr zu nicht gespriteten, trockenen Erzeugnissen. Moderne Trends geben ihm überraschenderweise Recht: Heute liefert das Douro-Gebiet einige der besten trockenen Tafelrotweine Portugals. Jedenfalls war Port, ob süß oder trocken, von Anfang des 18. bis Anfang des 20.Jahrhunderts der meistgetrunkene Wein in Großbritannien.
Eine Reihe von Behörden reglementiert und überwacht jede Phase seiner Bereitung. Alle Weinberge der 26000 Hektar umfassenden Gesamtrebfläche werden unter Berücksichtigung der Lage, Höhe, Bodenbeschaffenheit und Hangneigung, der Rebsorten sowie des Pflegezustands, der Fruchtbarkeit und des Alters der Stöcke einer von acht Qualitätsstufen zugeordnet und bekommen eine Jahresquote zugeteilt. Durchschnittlich dürfen nur 40 Prozent des Leseguts am Douro zu Port verarbeitet werden – aus dem Rest keltert man normale Rote. Der für Weinberge der Qualitätsstufe A zugelassene Höchstertrag liegt bei 700 Liter pro 1000 Rebstöcke.
Früher wurden unzählige verschiedene einheimische Sorten zusammen in einem Weingarten kultiviert. In den 1970 er-Jahren führte Ramos Pinto umfangreiche Untersuchungen durch, um die wichtigsten Trauben zu bestimmen. Es handelt sich um Touriga nacional, Touriga francesa, Tinta Roriz, Tinta barroca, Tinto Cão, Tinta amarela und Sousão. Heute werden sie getrennt kultiviert und später verschnitten.
Zur Lese am Douro Ende September rückt die Bürokratie in den Hintergrund. Die anstrengende Ernte und der mühsame Transport des Traubenguts von den steilen Terrassen zu den Kellern wird von den Dorfbewohnern mit erstaunlicher Fröhlichkeit und Tatkraft bewältigt. Auf den abgelegenen kleinen Höfen und sogar manchen größeren Quintas stampft man die Trauben noch in der Nacht in offenen lagares aus Granit mit bloßen Füßen. Anschließend werden sie in den Trögen vergoren, bis der Wein für das Abstoppen mit Branntwein bereit ist. Die meisten Porthäuser allerdings pressen den größeren Teil der Ernte maschinell und fermentieren ihn in Autovinifiern aus Edelstahl, die den Most, wie der Name schon andeutet, automatisch über die Traubenschalen pumpen. Die Autovinifikation war einmal ein großer Fortschritt, seit Neuestem kehren die Porthersteller aber wieder zum Zerstampfen der Trauben in lagares zurück. Doch Arbeitskräfte sind rar heutzutage. In den 1990 ern kamen daher die faszinierenden robotic lagares auf. Diese Maschinen ahmen das Treten des menschlichen Fußes nach, sodass müde Erntehelfer ausschlafen können, statt bis zum frühen Morgen monoton Beeren zu zerquetschen. Irgendwann einmal hat sich die Hälfte des Traubenzuckers in Alkohol umgewandelt. Der halbvergorene Wein wird anschließend in Fässer abgezogen, die zu einem Viertel mit Branntwein gefüllt sind. Die Gärung bricht dadurch sofort ab.
Nach dem ersten Abstich
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