Der grosse Johnson_ Die Enzyklopadie der Weine, Weinbaugebiete
schrumpfen die Früchte rasch. Zunächst überzieht sie ein grauer Sporenteppich, dann nehmen sie ein warmes Violettbraun an; die Schalen sind in diesem Stadium nur noch eine breiige Masse. Sie verlieren mehr als die Hälfte ihres Gewichts, aber weniger als die Hälfte ihres Zuckergehalts. Der Saft wird konzentriert, extrem süß und stark glyzerinhaltig. Unter perfekten Bedingungen – wie 1967, 1989 und 2001 – geht diese Metamorphose rasch und radikal vor sich. In den meisten Jahren allerdings läuft der Umwandlungsprozess eher langsam ab. Die Trauben faulen ungleichmäßig, manchmal sogar Beere für Beere. Auf Yquem durchkämmen 140 Lesehelfer die Rebzeilen im Schneckentempo und holen die Beeren gegebenenfalls einzeln von den Stöcken, insgesamt bis zu elfmal. Ertrag: etwa ein Glas Wein pro Rebe.
Im cuvier wird das Erntegut leicht geschwefelt, in einem sanften fouloir, einer Traubenmühle aus Holz, angequetscht und anschließend sofort dreimal in Vertikalpressen zerdrückt. Den Tresterkuchen bricht man mit Schaufeln auf und wirft ihn in eine Mühle, wo die Stiele zwischen den Pressvorgängen entfernt werden. Die Lese eines ganzen Tages – bis zu 40 Fässer – kommt zusammen in einen Tank und anschließend zur Gärung direkt in Barriques aus neuer Eiche, die zu drei Vierteln befüllt werden. Während des Gär- und Ausbauprozesses werden jedem Fass immer wieder Kostproben entnommen, um zu sehen, ob der Inhalt für den grand vin gut genug ist. Wenn nicht, verkauft man ihn als namenlosen Sauternes. Auf Yquem gibt es keine Kompromisse und daher auch keinen Zweitwein.
Hat der Most etwa 14 Prozent Alkohol erreicht, stellen die Hefen ihre Aktivität ein und lassen rund 120 Gramm Restzucker pro Liter zurück. Die Mengenverhältnisse sind entscheidend. 20 Prozent Gesamtzucker (»potenzieller Alkoholgehalt«) sind ideal. Bei 25 Prozent setzt die Gärung schon bei neun bis zehn Prozent Alkohol aus – etwa bei Trockenbeerenauslesen. Beim Tokaji Essencia mit 35 Prozent potenziellem Alkohol kommt sie nicht einmal richtig in Gang.
Ein Yquem blieb früher 3,5 Jahre im Fass, aber unter Pierre Lurton und seinem Berater, Professor Denis Dubourdieu, wurde die Ausbauzeit leicht verkürzt. Der »neue« Yquem mag geringfügig anders schmecken als sein Vorgänger, doch gibt es bislang keinerlei Anzeichen dafür, dass die Qualität nachgelassen hat.
Château Lafaurie-Peyraguey *** – ****
Bommes. Besitzer: Suez-Konzern. 40 ha. Rebsorten: Sémillon 90%, Sauvignon 8%, Muscadelle 2%.
Eine Festung, die es – wenigstens militärisch – mit Yquem aufnehmen kann. Bekannt für schön strukturierten, langlebigen Sauternes, vor allem seit 1979. Der 1983er war der erste einer Reihe großer Jahrgänge.
Château Rabaud-Promis ** – ***
Bommes. Besitzer: Philippe Dejean. 33 ha. Rebsorten: Sémillon 80%, Sauvignon 18%, Muscadelle 2%.
Der größere Teil der ehemals bedeutenden Kellerei Rabaud bereitet reichhaltige Weine, die fett, aber nicht schwer sind.
Seit 1986 verlässlich, aber selten großartig.
Château Rayne-Vigneau ** – ***
Bommes. Besitzer: Crédit Agricole Grands Crus. 80 ha. Rebsorten: Sémillon 80%, Sauvignon 20%.
Ein großes Gut, wobei Château und Rebfläche mittlerweile getrennt sind. Es war früher wegen seiner edelsteinhaltigen Böden berühmt. Der glückliche Vicomte de Roton holte Saphire, Topase, Amethyste und Opale zu Tausenden aus dem Erdreich (der Rest besteht aus Kies). Die moderne Bereitung erbringt reiche, gute, aber nicht sehr ambitionierte Sauternes-Geschöpfe und ein bisschen trockenen Rayne-Vigneau Sec.
Château Rieussec ****
Fargues. Besitzer: Domaines Barons de Rothschild. 90 ha. Rebsorten: Sémillon 90%, Sauvignon 8%, Muscadelle 2%.
www.lafite.com
Yquems Nachbar im Osten befindet sich auf derselben Hügelkette in höherer Lage. Der aromatische, elegante, dabei kraftvolle Wein wurde in den 1970ern dunkler und reicher und nahm eine edelfaule Honignote an. Der vom »Y« inspirierte trockene Weiße heißt »R«. Die Rothschilds erwarben das Gut 1985, woaraufhin der Stil klassischer und weniger teerig wurde.
Seit den späten 1990ern herausragend. Zweitwein: Carmes de Rieussec.
Château Sigalas Rabaud ***
Bommes. Besitzer: Comte Gérard de Lambert des Granges.
14 ha. Rebsorten: Sémillon 80%, Sauvignon 20%.
Ein Drittel des ehemaligen Rabaud-Guts, über ein Jahrhundert lang in der Hand der Familie Sigalas. Der Wein wurde bis 1988 überwiegend im Tank bereitet und ausgebaut, um Eichentöne zu
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