Der große Schlaf
Vater war ein guter Freund vom alten Sternwood. Ich habe alles getan, soweit es mein Amt zuläßt – und vielleicht noch ein bißchen mehr –, um dem alten Herrn Kummer zu ersparen. Aber auf die Dauer ist das nicht zu machen. Diese beiden Mädchen von ihm geraten noch todsicher in einen Schlamassel, der sich dann nicht mehr verschweigen läßt, besonders die kleine blonde Göre. Sie dürften einfach nicht frei umherlaufen. Diesen Vorwurf kann ich dem alten Herrn nicht ersparen. Vermutlich hat er keine Ahnung, wie es in der heutigen Welt zugeht. Und dann ist da noch etwas, das Sie wissen sollten, solange wir von Mann zu Mann reden und ich Sie nicht anbelfern muß. Ich setze einen Dollar gegen einen kanadischen Nickel, daß der General Angst hat, sein Schwiegersohn, der Ex-Schnapshändler, sei irgendwie in die Sache verwickelt, und nun hofft, Sie fänden heraus, daß erś nicht ist. Was halten Sie davon?«
»Was ich über Regan gehört habe, klingt mir nicht nach Erpresser. Er hat in einem warmen Nest gesessen und ist doch wieder abgeschwirrt.«
Wilde schniefte. »Wie warm das Nest war, können weder Sie noch ich beurteilen. Wenn er eine gewisse Sorte Mann war, dürfte es nicht so sehr warm gewesen sein. Hat der General Ihnen gesagt, daß er Regan sucht?«
»Er sagte mir, daß er gern wüßte, wo Regan wäre und ob es ihm gut ginge. Er mochte Regan und war gekränkt über die Art, wie er sich davongemacht hat, ohne dem alten Herrn Lebewohl zu sagen.«
Wilde lehnte sich zurück und runzelte die Stirn. »Ich verstehe«, sagte er mit veränderter Stimme. Seine Hand sortierte die Sachen auf dem Schreibtisch, sie legte Geigers blaues Notizbuch beiseite und schob das andere
Beweismaterial zu mir herüber.
»Das können Sie wieder an sich nehmen«, sagte er. »Ich habe keine weitere Verwendung dafür.«
19
Es war fast elf, als ich meinen Wagen abstellte und um die Ecke zum Vordereingang von Hobart Arms ging. Die Glastür wurde um zehn abgeschlossen, also mußte ich meine Schlüssel rausholen. Drinnen in der kahlen, viereckigen Halle legte ein Mann eine grüne Abendzeitung neben die eingetopfte Palme und schnippte eine Zigarettenkippe in den Kübel, in dem die Palme wuchs. Er stand auf und schwenkte mir seinen Hut entgegen und sagte: »Der Boss will mit Ihnen sprechen. Sie lassen Ihre Freunde aber ganz schön warten, Kumpel.« Ich stand ruhig da und betrachtete seine plattgeschlagene Nase und seine Beefsteakohren.
»Was will er?«
»Was geht Sie das an? Halten Sie Ihre Nase raus, dann geht alles klar.« Seine Hand machte sich beim oberen Knopfloch seiner offenen Jacke zu schaffen.
»Ich rieche nach Polizei«, sagte ich. »Ich bin zu müde zum Reden, zu müde zum Essen, zu müde zum Denken. Aber wenn Sie glauben, ich sei nicht zu müde, um Befehle von Eddie Mars entgegenzunehmen – holen Sie lieber fix Ihre Töte raus, bevor ich Ihnen Ihr gutes Ohr abschieße.«
»Quatsch. Sie haben ja keine Kanone.« Er fixierte mich.
Seine dunklen, borstigen Brauen schoben sich zusammen, und sein Mund machte eine Kurve nach unten.
»Das war einmal«, erzählte ich ihm. »Ich laufe nicht immer nackt umher.«
Er schwenkte seine linke Hand. »In Ordnung. Sie haben gewonnen. Ich habe nicht den Auftrag, jemand umzupusten. Sie werden von ihm hören.«
»Je später, desto lieber«, sagte ich und drehte mich langsam um, als er an mir vorbei zur Tür ging. Er machte sie auf und trat hinaus, ohne zurückzublicken. Ich grinste über meinen eigenen Schwachsinn, ging zum Fahrstuhl und fuhr hinauf zu meiner Wohnung. Ich holte Carmens kleinen Revolver aus der Tasche und lachte ihn an. Dann reinigte ich ihn gründlich, ölte ihn, wickelte ihn in ein Staubtuch und schloß ihn weg. Ich goß mir etwas zu trinken ein und trank eben, als das Telefon klingelte. Ich setzte mich neben den Tisch, auf dem es stand.
»Sie sind aber stark heute abend«, sagte die Stimme von Eddie Mars.
»Groß, schnell, stark und kribbelig. Was kann ich für Sie tun?«
»Die Bullen sind drüben – Sie wissen, wo. Haben Sie mich rausgehalten?«
»Warum sollte ich?«
»Ich bin nett zu den Netten, Sportsfreund. Zu den Nichtnetten bin ich gar nicht nett.«
»Hören Sie bloß, wie mir die Zähne klappern.«
Er lachte trocken auf. »Was ist: Ja – oder nein?«
»Aber ja. Weiß der Henker, warum. Vermutlich darum, weilś auch ohne Sie schon kompliziert genug war.«
»Danke, Sportsfreund. Wer hat ihn umgelegt?«
»Sie werdenś morgen in der Zeitung lesen
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