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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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deshalb gar nicht so gottverdammt zimperlich zu kommen.«
    »Nö«, sagte Ohls. »So gottverdammt zimperlich brauch ich Ihnen nicht zu kommen damit. Aber ich habe eben nur so gottverdammt selten die Gelegenheit, vor einem Stadtbullen die Zimperliese zu spielen. Meistens muß ich euch nämlich immer sagen, wohin ihr die Füße setzen müßt, wenn ihr euch nicht die Haxen brechen wollt.«
    Cronjager wurde um die Flügel seiner scharfen Nase ganz weiß. Sein Atem machte einen sanften Zischer durch den stillen Raum. Er sagte sehr ruhig: »Meinen Männern brauchen Sie bestimmt nicht zu sagen, wo sie ihre Füße hinsetzen sollen, Sie Klugschnacker.«
    »Das ist noch nicht raus«, sagte Ohls. »Dieser Chauffeur, der, wie gesagt, bei Lido abgesoffen ist, hat letzte Nacht in Ihrem Revier nämlich einen umgelegt. Einen gewissen Geiger, der am Hollywood Boulevard einen Laden mit
    Schweinebüchern betrieben hat. Geiger hat mit dem Strizzi zusammengelebt, den ich draußen im Wagen sitzen habe. Ich will sagen, er lebte mit ihm zusammen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    Cronjager starrte ihn jetzt fest an. »Das hört sich an, als würde da noch eine dreckige Affäre draus«, sagte er.
    »Nach meinen Erfahrungen sind das Polizeiaffären meistens«, grummelte Ohls und wandte sich mit seinen borstigen Augenbrauen mir zu. »Sie sind auf Sendung, Marlowe. Lassen Sie ihn was hören.«
    Ich ließ ihn was hören.
    Ich ließ zwei Dinge aus und wußte im Moment selbst nicht genau, warum ich eins davon ausließ. Ich ließ Carmens Besuch in Brodys Wohnung aus und Eddie Mars´ Besuch bei Geiger am Nachmittag. Das übrige erzählte ich so, wie es passiert war.
    Cronjager wandte kein einziges Mal seine Augen von meinem Gesicht, und sein eigenes zeigte keinerlei Ausdruck, solange ich sprach. Als ich fertig war, blieb er eine lange Minute vollkommen stumm. Auch Wilde war stumm, während er seinen Kaffee nippte und lässig seine gefleckte Zigarre paffte. Ohls fixierte einen seiner Daumen.
    Cronjager lehnte sich langsam in seinen Sessel zurück und kreuzte einen Fuß über sein Knie und rieb den Knöchel mit seiner dünnen, nervösen Hand. Sein hageres Gesicht war finster verzogen. Er sagte mit eisiger Höflichkeit:
    »Sie haben demnach nichts weiter getan, als einen Mord nicht gemeldet, der letzte Nacht passiert ist, und sind dann den ganzen Tag herumgefuchst, so daß Geigers Bubi heute abend einen weiteren Mord begehen konnte.«
    »Das ist alles«, sagte ich. »Ich war ziemlich im Druck.
    Wahrscheinlich warś falsch, aber ich wollte meinen Klienten schützen und hatte keinen Grund zur Annahme, daß der Junge Brody umballern würde.«
    »Derlei Annahmen sind Sache der Polizei, Marlowe. Wenn Geigers Tod letzte Nacht gemeldet worden wäre, hätten die Bücher nie aus dem Laden in Brodys Wohnung gebracht werden können. Der Junge wäre nicht auf Brody gestoßen und hätte ihn nicht umgelegt. Schön, Brodys Tage waren gezählt.
    Das sind sie bei der Sorte allemal. Aber ein Leben ist ein Leben.«
    »Stimmt«, sagte ich. »Erzählen Sie das ruhig Ihren Bullen, wenn sie das nächstemal einen aufgeschreckten, kleinen Gauner abknallen, während er mit ńem geklauten Ersatzreifen die Kurve zu kratzen versucht.«
    Wilde schlug mit beiden Händen ziemlich heftig auf den Tisch. »Das reicht«, schnauzte er. »Wieso sind Sie eigentlich so sicher, Marlowe, daß dieser kleine Taylor Geiger erschossen hat? Selbst wenn die Waffe, mit der Geiger umgebracht worden ist, bei Taylors Leiche oder sonstwo im Wagen gefunden wurde, ergibt sich daraus immer noch nicht mit Sicherheit, daß er der Mörder war. Die Waffe kann genauso gut unterschoben worden sein – sagen wir von Brody, dem wirklichen Mörder.«
    »Das ist physisch möglich«, sagte ich, »aber moralisch nicht.
    Das wären zu viele der Zufälle und zu viel, was nicht zum Charakter Brodys und dem seines Mädchens und auch nicht zu dem paßt, was er vorhatte. Ich habe mich lange mit Brody unterhalten. Er war eine fiese Type, aber nach einem Mörder sah er mir nicht aus. Er besaß zwei Pistolen, trug aber keine davon. Er hat versucht, in Geigers Geschäftchen einzusteigen, über das er natürlich durch das Mädchen Bescheid wußte. Er meinte, er habe Geiger ab und zu beobachtet, um
    rauszukriegen, ob da nicht ein paar finstere Hintermänner mitmischten. Ich glaube ihm. Wenn Sie denken, daß er Geiger umgebracht hat, um an seine Bücher zu kommen, und dann mit dem Nacktfoto abgehauen ist, das Geiger eben erst von

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