Der große Schlaf
Carmen Sternwood gemacht hatte, und dann auch noch die Pistole Owen Taylor unterschoben und Taylor bei Lido ins Meer geschubst hat, dann soll mich der Teufel holen, wenn Sie nicht ńe Menge zuviel denken. Taylor hatte ein Motiv, rasende Eifersucht, und auch die Gelegenheit, Geiger zu töten. Er war ohne Erlaubnis mit einem Wagen von der Familie unterwegs.
Er hat Geiger direkt vor den Augen des Mädchens erschossen, was Brody nie getan hätte, selbst wenn er ein Mörder gewesen wäre. Ich wüßte keinen Menschen, der aus purem
Geschäftsinteresse an Geiger so etwas getan hätte. Aber Taylor war dazu fähig. Die Sache mit dem Nacktfoto war genau das, was ihn so weit gebracht hat.«
Wilde gluckste und sah aus den Augenwinkeln zu Cronjager hinüber. Cronjager räusperte sich mit einem Grunzer. Wilde fragte: »Was ist mit der Geschichte von der versteckten Leiche? Ich sehe da keinen Sinn drin.«
Ich sagte: »Der Kleine hatś uns nicht erzählt, aber er muß es wohl gewesen sein. Brody wäre nicht ins Haus gegangen, nachdem Geiger erschossen worden war. Der Junge ist sicher heimgekommen, während ich Carmen wegbrachte. So wie er veranlagt ist, hatte er natürlich Angst vor der Polizei, und vermutlich hielt er es für eine gute Idee, die Leiche erst einmal zu verstecken, bis er seine Sachen aus dem Haus geschafft hatte. Nach den Spuren auf dem Teppich zu urteilen, hat er Geiger aus der Haustür gezerrt und höchstwahrscheinlich in die Garage gebracht. Dann hat er seine Siebensachen
zusammengelesen und fortgeschafft. Und dann später, irgendwann in der Nacht, bevor die Leiche ganz steif war, hat er Gewissensbisse bekommen und sich gedacht, daß er seinen toten Freund nicht sehr nett behandelt habe. Also ist er zurückgekommen und hat ihn auf dem Bett aufgebahrt.
Natürlich sind das nur Vermutungen.«
Wilde nickte. »Und heute morgen geht er dann zum Laden hinunter, als ob nichts vorgefallen wäre, und hält die Augen offen. Und als Brody die Bücher abholen läßt, stellt er fest, wo sie hingehn, und folgert, daß der, der sie hat, seinen Geiger genau aus diesem Grund umgebracht haben muß. Vielleicht hat er sogar mehr über Brody und das Mädchen gewußt, als sie sich träumen ließen. Was meinen Sie, Ohls?«
Ohls sagte: »Das wird sich herausstellen – aber Cronjager wird das auch nicht weiterhelfen. Was ihn wurmt, das ist, daß dies alles schon letzte Nacht passiert ist und er erst jetzt Wind davon bekommt.«
Cronjager sagte säuerlich: »Ich glaube, mit diesem Aspekt werde ich mich auch noch beschäftigen.« Er sah mich scharf an und sah sofort wieder weg.
Wilde schwenkte seine Zigarre und sagte: »Zeigen Sie mal das Beweismaterial, Marlowe.«
Ich leerte meine Taschen und legte meine Ausbeute auf den Tisch: die drei Wechsel und Geigers Karte an General Sternwood, Carmens Fotos und das blaue Notizbuch mit der Liste von Codenamen und -adressen. Geigers Schlüssel hatte ich bereits Ohls gegeben.
Wilde sah sich an, was ich ihm hinlegte, und paffte gemächlich seine Zigarre. Ohls steckte sich eins seiner eigenen Zigärrchen an und blies friedlich Rauch zur Decke hinauf.
Cronjager lehnte sich über den Schreibtisch und betrachtete, was ich Wilde gegeben hatte. Wilde klopfte auf die drei Wechsel mit Carmens Unterschrift und sagte: »Ich nehme an, das waren nur Versuchsballons. Wenn General Sternwood gezahlt hätte, dann nur aus Furcht vor Schlimmerem. Dann hätte nämlich Geiger die Schrauben erst angezogen. Haben Sie eine Ahnung, wovor er Angst hatte?« Er sah mich an. Ich schüttelte den Kopf.
»Ist Ihre Geschichte vollständig, mit allen wesentlichen Details?«
»Ich habe ein paar persönliche Dinge ausgelassen. Und sie sollen auch draußen bleiben, Mr. Wilde.«
Cronjager sagte: »Ha!« und grunzte mit Gefühl.
»Warum?« fragte Wilde ruhig.
»Weil mein Klient ein Recht darauf hat, bis zum Schwurgericht hinauf. Ich bin als Privatdetektiv zugelassen. Ich finde, das Wort ›Privat‹ hat eine gewisse Bedeutung. Das Revier Hollywood hat zwei Mordfälle an der Hand, beide sind gelöst.
Sie haben die beiden Mörder. Sie haben in beiden Fällen das Motiv und die Mordwaffe. Die Erpressungsgeschichte muß vertuscht werden, soweit es die Namen der Beteiligten betrifft.«
»Warum?« fragte Wilde wieder.
»Das geht schon in Ordnung«, sagte Cronjager trocken.
»Wer wird denn so einem genialen Schnüffler die Schau stehlen.«
Ich sagte: »Ich will Ihnen mal was zeigen.« Ich stand auf und ging aus dem Haus zu
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