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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Himmel. Gewinnt sie, dann trägt sie mein schönes Geld nach Hause.«
    »Sie kriegenś am nächsten Abend zurück«, sagte ich.
    »Ich kriege einen Teil zurück. Aber auf die Dauer zahle ich drauf.«
    Er sah mich ernst an, als sei das alles wichtig für mich. Ich fragte mich, aus welchem Grund er mir das überhaupt erzählte.
    Ich gähnte und trank aus.
    »Ich geh mal rüber und seh mir den Laden an«, sagte ich.
    »Tun Sie das.« Er wies auf eine Tür neben dem Tresor. »Die führt zur Tür hinter den Tischen.«
    »Ich möchte lieber den Eingang für Schafsköpfe benutzen.«
    »In Ordnung. Wie Sie wollen. Wir sind doch Freunde, nicht wahr, Sportsfreund?«
    »Klarer Fall.« Ich stand auf, und wir schüttelten uns die Hände.
    »Vielleicht kann ich Ihnen eines Tages einen wirklichen Gefallen tun«, sagte er. »Diesmal haben Sie ja alles schon von Gregory.«
    »Der ist also auch von Ihnen geschmiert.«
    »Ach, halb so schlimm. Wir sind bloß gute Freunde.«
    Ich starrte ihn einen Augenblick lang an, dann ging ich zur Tür, durch die ich hereingekommen war. Ich sah mich nach ihm um, nachdem ich sie aufgemacht hatte.
    »Lassen Sie mich zufällig von jemand in einer grauen Plymouth-Limousine beschatten?«
    Seine Augen wurden plötzlich groß. Er sah beleidigt aus.
    »Teufel, nein. Warum sollte ich?«
    »Hätte ich mir auch nicht denken können«, sagte ich und ging hinaus. Ich fand, daß seine Überraschung so echt ausgesehen hatte, daß ich ihr glauben konnte. Ich fand sogar, daß er ein bißchen besorgt gewesen war. Ich wußte aber nicht, aus welchem Grund.

22
    Es war gegen halb elf, als das kleine mexikanische Orchester mit den gelben Schärpen die letzte Lust an seinem gedämpften, aufgedonnerten Rumba verlor, zu dem ohnehin niemand tanzte.
    Der Mann mit den Rasseln rieb seine Fingerspitzen aneinander, als ob er sie wundgespielt hätte, und schob sich fast mit derselben Bewegung eine Zigarette in den Mund. Die anderen vier verneigten sich synchron, griffen dabei unter ihre Stühle nach Gläsern und schluckten mit schmatzenden Lippen und strahlenden Augen. Das sollte heißen Tequila. Wahrscheinlich war es Mineralwasser. Die Schau, die sie abzogen, war so überflüssig wie ihre Musik. Keiner beachtete sie.
    Der Raum war einst ein Ballsaal gewesen, und Eddie Mars hatte nur soviel an ihm geändert, wie sein Geschäft verlangte.
    Kein Chromgeflimmer, keine indirekte Beleuchtung, die hinter kantiger Verkleidung hervordrang, keine erleuchteten Glasbilder noch Stühle mit violettem Leder und polierten Stahlrahmen, nichts von all dem pseudomodernen Zirkus eines typischen Hollywooder Nachtclubs. Das Licht kam von schweren, kristallenen Kronleuchtern, und die rosafarbenen Damastbespannungen der Wände waren noch derselbe rosafarbene Damast, nur ein wenig verblichen von der Zeit und nachgedunkelt vom Staub, der ehedem so gut zum
    Parkettboden gepaßt hatte, von dem jetzt aber nur noch eine winzige spiegelglatte Fläche vorm kleinen mexikanischen Orchester bloßlag. Alles übrige war mit einem schweren altrosa Teppich ausgelegt, der eine Menge gekostet haben mußte. Das Parkett war aus einem Dutzend verschiedener Harthölzer gefertigt, von burmesischem Teak über ein halbes Dutzend Schattierungen von Eichen- und Rotholz, das wie Mahagoni aussah, bis hin zum harten, hellen, wilden Fliederholz der kalifornischen Berge – all dies wie mit der Exaktheit eines Theodoliten zusammengefügt zu kunstvollem Muster.
    Es war noch immer ein schöner Raum, und nun war er fürs Roulette da statt für alte, abgezirkelte Tänze. An der gegen
    überliegenden Wand standen drei Tische. Ein niedriges Bronzegeländer verband sie miteinander und bildete eine Einfriedung um die Croupiers herum. Alle drei Tische waren in Betrieb, aber nur der mittlere war umdrängt. Ich konnte an ihm über den Raum hinweg Vivian Regans schwarzes Haar sehen.
    Ich lehnte an der Bar und drehte ein kleines Glas Bacardi auf dem Mahagoni hin und her.
    Der Barkeeper lehnte neben mir und betrachtete die Traube gutgekleideter Leute am Mitteltisch. »Sie tanzt ihnen heut abend auf der Nase rum«, sagte er. »Das große schwarzhaarige Luder dort.«
    »Wer ist sie?«
    »Ich weiß nicht, wie sie heißt. Aber sie kommt oft her.«
    »Und Sie wollen mir weismachen, Sie kennen ihren Namen nicht?«
    »Ich bin hier nur angestellt, Mann«, sagte er, ohne sich beleidigt zu fühlen. »Sie ist übrigens ganz allein. Ihr Kerl ist hin
    über. Sie haben ihn raus in seinen Wagen

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