Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
ins Zimmer und wirbelte über die Tischplatte wie ein Sandsturm übers Ödland. Ich überlegte mir, ob ich essen gehen sollte und was für ein mieses Leben das war und daß es wahrscheinlich genauso mies wäre, wenn ich einen Schluck nähme, und daß so ein Schluck ganz allein zu dieser Tageszeit sowieso keinen Spaß machte. Ich war noch am Überlegen, als Norris anrief. In seiner behutsam höflichen Art sagte er mir, daß sich General Sternwood garnicht wohl fühle und daß man ihm gewisse Dinge aus der Zeitung vorgelesen habe und er annehme, daß meine Untersuchung nun abgeschlossen sei.
    »Ja, was Geiger anbelangt«, sagte ich. »Ich habe ihn übrigens nicht erschossen, müssen Sie wissen.«
    »Das hat der General auch nicht angenommen, Mr.
    Marlowe.«
    »Weiß der General etwas von den Fotografien, über die sich Mrs. Regan solche Sorgen gemacht hat?«
    »Nein, Sir. Auf gar keinen Fall.«
    »Wissen Sie, was der General mir übergeben hat?«
    »Ja, Sir. Drei Wechsel und eine Karte, glaube ich.«
    »Richtig. Ich werde sie zurückgeben. Was die Fotos angeht, so werde ich sie am besten einfach vernichten.«
    »Sehr wohl, Sir. Mrs. Regan hat Sie gestern abend mehrere Male zu erreichen versucht ...«
    »Ich war aus, mich betrinken«, sagte ich.
    »Ja. Sehr notwendig, Sir, davon bin ich überzeugt. Der General hat mich beauftragt, Ihnen einen Scheck über fünfhundert Dollar zu schicken. Ist das zu Ihrer Zufriedenheit?«
    »Mehr als großzügig«, sagte ich.
    »Und ich darf annehmen, daß wir den Fall jetzt als abgeschlossen betrachten dürfen?«
    »Aber sicher. Abgeschlossen wie einen Tresor mit einem kaputten Zeitschloß.«
    »Vielen Dank, Sir. Glauben Sie mir, wir alle wissen das zu schätzen. Wenn der General sich etwas wohler fühlt –
    möglicherweise schon morgen –, möchte er sich gern persönlich bei Ihnen bedanken.«
    »Prima«, sagte ich. »Ich werde rauskommen und ein bißchen von seinem Brandy trinken, vielleicht mit Champagner gemischt.«
    »Ich werde dafür sorgen, daß er richtig gekühlt ist«, sagte der alte Knabe, fast mit einem Grinsen in der Stimme. Das warś. Wir sagten uns ›Bis dann‹ und legten auf.
    Der Geruch aus der Snackbar von nebenan drang zusammen mit dem Ruß zum Fenster herein, aber hungrig machte er mich nicht. Also holte ich meine Büroflasche heraus und nahm einen Schluck und ließ meine Selbstachtung vor die Hunde gehen.
    Ich zählte es mir von den Fingern ab. Rusty Regan war von einer Masse Geld und einer hübschen Frau weggerannt, um mit einer fragwürdigen Mieze, die mehr oder weniger mit einem Ganoven namens Eddie Mars verheiratet war, durch die Gegend zu strolchen. Er war urplötzlich verschwunden, ohne allen Abschied, und dafür konnte es jede Menge Gründe geben. Der General war zu stolz gewesen oder auch, weil es unser erstes Gespräch war, zu vorsichtig, um mir zu erzählen, daß das Vermißtendezernat die Sache bereits in der Hand hatte. Die Leute vom Suchdienst tappten im dunkeln und meinten
    offensichtlich, es sei nicht der Mühe wert. Was Regan getan hatte, hatte er getan, und das war seine Sache. Ich stimmte mit Captain Gregory überein, daß Eddie Mars sich sicherlich nicht in einen Doppelmord verwickelt hätte, bloß weil ihm ein anderer Mann sein Blondchen ausgespannt hatte, mit der er nicht einmal zusammenlebte. Vielleicht hat er sich darüber geärgert, aber Geschäft ist Geschäft, und wenn man sich in Hollywood wegen einer streunenden Mieze immer gleich die Haare ausraufen wollte, dann hätte man bald keine mehr. Mit einem Haufen Geld im Spiel läge die Sache schon anders. Aber fünfzehn Riesen waren für Eddie Mars kein Haufen Geld. Er war kein so kleinkarierter Gauner wie Brody.
    Geiger war tot, und Carmen mußte sich schon einen anderen Finsterling suchen, wenn sie mit ihm das neueste exotische Gesöff ausprobieren wollte. Es würde ihr sicher nicht schwerfallen. Sie brauchte sich nur fünf Minuten lang an die Ecke zu stellen und affig zu gucken. Ich hoffte bloß, daß der nächste Ganove, der sie sich angelte, ein bißchen sanfter mit ihr umginge, ein bißchen mehr auf die langsame Tour als auf die schnelle.
    Mrs. Regan kannte Eddie Mars gut genug, um Geld von ihm zu borgen. Das war plausibel, wenn sie Roulette spielte und ein guter Verlierer war. Jeder Spielkasinobesitzer würde einem guten Kunden Geld leihen, wenn er in der Klemme wäre. Davon abgesehen, verband sie ihr gemeinsames Interesse an Regan. Er war ihr Mann, und er war mit der Frau von Eddie

Weitere Kostenlose Bücher