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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Blutes.«
    Eddie Mars lächelte schwach, nickte dann und griff nach innen in seine Brusttasche. Er zog eine dicke Brieftasche aus Robbenleder mit goldgefaßten Ecken heraus und warf sie sorglos über den Tisch dem Croupier zu.
    »Halten Sie ihren Einsatz in vollen Tausendern«, sagte er,
    »sofern niemand etwas dagegen hat, daß dieses Spiel nur für die Dame ist.«
    Niemand hatte etwas dagegen. Vivian Regan beugte sich vor und schob wild ihren ganzen Gewinn mit beiden Händen auf den großen roten Rhombus der Spielfläche.
    Der Croupier lehnte sich ohne Hast über den Tisch. Er zählte und stapelte ihr Geld und ihre Chips, fügte alles außer einigen Chips und Banknoten zu einem ordentlichen Haufen und schob den Rest mit seinem Rechen vom Spielfeld. Er klappte Eddie Mars´ Brieftasche auf und zog zwei flache Päckchen von Tausend-Dollar-Noten heraus. Er brach das eine auf, zählte sechs Scheine ab, tat sie zum ungeöffneten Bündel, steckte die restlichen vier Noten wieder in die Brieftasche und legte sie so achtlos beiseite, als handle es sich um ein Päckchen Streichhölzer. Eddie Mars rührte die Brieftasche nicht an. Niemand regte sich außer dem Croupier. Er drehte das Rad linkshändig und schickte die Elfenbeinkugel mit einem lässigen Schlenker aus dem Handgelenk über den oberen Rand auf die Reise.
    Dann zog er die Hände zurück und verschränkte die Arme.
    Vivians Lippen teilten sich langsam, bis ihre Zähne im Licht wie Messer blitzten. Die Kugel rollte träge über die Schräge des Rads und holperte über die Chromrippen oberhalb der Nummern. Nach einer langen Zeit, dann aber ganz plötzlich, endete ihre Bewegung mit einem kalten Klick. Das Rad drehte sich langsamer und trug die Kugel mit sich herum. Der Croupier hielt seine Arme verschränkt, bis das Rad völlig zum Stillstand gekommen war.
    »Rot gewinnt«, sagte er förmlich, ohne Interesse. Die kleine Elfenbeinkugel lag in Rot 25, der dritten Nummer nach Doppel-Zero. Vivian Regan warf ihren Kopf zurück und lachte triumphierend.
    Der Croupier hob seinen Rechen und schob den Stapel Tausend-Dollar-Noten langsam über die Fläche, fügte sie zum Einsatz, schob das Ganze langsam aus dem Spielfeld. Eddie Mars lächelte, steckte seine Brieftasche ein, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum durch die Tür in der Täfelung.
    Ein Dutzend Leute holte gleichzeitig Luft und machte sich auf zur Bar. Ich war mit von der Partie und schon am anderen Ende des Saales, bevor Vivian ihren Gewinn zusammengerafft und sich vom Tisch erhoben hatte. Ich trat hinaus in die große stille Halle, ließ mir vom Garderobenmädchen Hut und Mantel geben, legte einen Vierteldollar aufs Tellerchen und trat hinaus auf die Veranda.
    Der Türsteher tauchte neben mir auf und sagte: »Darf ich Ihnen Ihren Wagen holen, Sir?«
    Ich sagte: »Ich will nur ein bißchen frische Luft schöpfen.«
    Die Verzierungen am Sims des Verandadachs waren feucht vom Nebel. Der Nebel tropfte von den Monterey-Zypressen, die sich zur Klippe überm Ozean hin in dunklem Nichts verloren. Ich konnte rund um mich her keine zwölf Schritt weit sehen. Ich ging die Verandastufen hinunter, schlenderte unter den Bäumen davon und folgte einem undeutlichen Pfad, bis ich vom Fuß der Klippe herauf das Klatschen der Brandung durch den Nebel hören konnte. Kein Fünkchen Licht war zu sehen.
    Ich konnte gerade noch klar ein Dutzend Bäume erkennen, ein weiteres Dutzend nur schwach, dann nichts weiter als Nebel.
    Ich bog nach links ab und schlenderte zum Kiespfad zurück, der ums Haus herum zu den Stallungen führte, wo die Wagen geparkt waren. Als ich die Umrisse des Hauses ausmachen konnte, blieb ich stehen. Ein Stückchen vor mir hatte ein Mann laut gehustet.
    Meine Schritte hatten auf dem feuchten Rasen kein Geräusch gemacht. Der Mann hustete abermals, dann erstickte er den Husten mit einem Taschentuch oder mit dem Ärmel. Während er das noch tat, bewegte ich mich auf ihn zu. Ich sah ihn nur undeutlich, einen Schatten dicht am Pfad. Instinktiv trat ich hinter einen Baum und duckte mich. Der Mann wandte den Kopf. Sein Gesicht hätte ein weißer Fleck sein müssen, als er das tat. Das war es aber nicht. Es blieb dunkel. Es war maskiert. Ich stand hinter dem Baum und wartete.

23
    Leichte Schritte, die Schritte einer Frau, kamen den unsichtbaren Pfad entlang, und der Mann vor mir bewegte sich vorwärts und schien sich gegen den Nebel zu lehnen. Ich konnte die Frau nicht sehen, dann erkannte ich sie undeutlich.

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