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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Ihre arrogante Kopfhaltung kam mir bekannt vor. Der Mann trat sehr schnell nach vorn. Die beiden Gestalten verschmolzen im Nebel, schienen Teil des Nebels zu sein. Einen Augenblick war Totenstille. Der Mann sagte:
    »Dies ist eine Kanone, Gnädigste. Schön sachte jetzt. Im Nebel ist alles genau zu hören. Reichen Sie mir einfach die Tasche.«
    Das Mädchen gab keinen Laut. Ich trat einen Schritt vor.
    Ganz plötzlich konnte ich in nebelhaften Umrissen die Hutkrempe des Mannes sehen. Das Mädchen stand regungslos.
    Dann machte ihr Atem ein raspelndes Geräusch, wie eine kleine Feile auf; weichem Holz.
    »Schreien Sie«, sagte der Mann, »und ich säge Sie mittendurch.«
    Sie schrie nicht. Sie rührte sich nicht. Er machte eine Bewegung und lachte leise auf.
    »Hier ist es besser aufgehoben«, sagte er. Eine Sperre klickte, und ein Rascheln drang zu mir. Der Mann wandte sich ab und kam auf meinen Baum zu. Nach drei oder vier Schritten gluckste wieder sein Lachen. Das Glucksen hatte ich noch irgendwie in Erinnerung.
    Ich holte meine Pfeife aus der Tasche und hielt sie wie eine Pistole. Ich rief leise: »He, Lanny.« Der Mann blieb jäh stehen und versuchte, seine Hand hochzukriegen. Ich sagte: »Nein. Du weißt, daß du das nicht tun darfst, Lanny. Ich hab dich im Visier.«
    Nichts bewegte sich. Das Mädchen hinten auf dem Pfad bewegte sich nicht. Ich bewegte mich nicht. Lanny bewegte sich nicht.
    »Stell die Tasche vor deine Füße, Kleiner«, sagte ich ihm.
    »Langsam und ruhig.«
    Er bückte sich. Ich sprang vor und griff ihn mir, während er noch vornübergebeugt stand. Er richtete sich schwer atmend vor mir auf. Seine Hände waren leer. »Sag schon, daß mir das noch leid tun wird«, sagte ich. Ich lehnte mich gegen ihn und holte die Pistole aus seiner Manteltasche. »Alle Leute wollen ihre Schießeisen bei mir loswerden«, sagte ich ihm. »Ich geh schon ganz gebückt von all der Last. Verschwinde.« Unser Atem traf und mischte sich, unsere Augen glichen den, Augen zweier Kater auf dem Dach. Ich trat zurück. »Mach Fliege, Lanny. Nichts für ungut. Du hältst still, und ich; halt still.
    Okay?«
    »Okay«, sagte er heiser.
    Der Nebel schluckte ihn. Das schwache Geräusch seiner Schritte, dann nichts mehr. Ich hob die Tasche auf und fühlte hinein und ging auf den Pfad zu. Sie stand noch immer bewegungslos, den grauen Pelzmantel fest um den Hals geschlossen mit einer handschuhlosen Hand, auf der matt ein Ring schimmerte. Sie trug keinen Hut. Ihr gescheiteltes, dunkles Haar war Teil des nächtlichen Dunkels. Desgleichen ihre Augen.
    »Saubere Arbeit, Marlowe. Sind Sie jetzt mein Leibwächter geworden?« Ihre Stimme klang ein bißchen rauh.
    »Sieht so aus. Hier ist die Tasche.«
    Sie nahm sie. Ich sagte: »Sind Sie mit dem Wagen hier?«
    Sie lachte. »Ich bin mit einem Begleiter gekommen. Was treiben Sie eigentlich hier?«
    »Eddie Mars hat mich sprechen wollen.«
    »Ich wußte nicht, daß Sie ihn kennen. Was wollte er?«
    »Das dürfen Sie gern wissen. Er war der Meinung, ich sei hinter jemandem her, der mit seiner Frau durchgebrannt ist.«
    »Sind Sie das?«
    »Nein.«
    »Warum sind Sie dann gekommen?«
    »Um rauszukriegen, warum er der Meinung war, ich sei hinter jemandem her, der mit seiner Frau durchgebrannt ist.«
    »Haben Sieś rausgekriegt?«
    »Nein.«
    »Sie sprudeln Nachrichten wień Radiosprecher. Aber es geht mich wohl nichts an – sogar wenn es sich um meinen Mann handelt. Ich dachte, Sie wären daran nicht interessiert.«
    »Jeder schlägt es mir aber um die Ohren.«
    Sie biß ärgerlich die Zähne zusammen. Der Zwischenfall mit dem maskierten Waffenbruder schien sie kein bißchen beeindruckt zu haben.
    »Also, bringen Sie mich zur Garage«, sagte sie. »Ich muß mich nach meinem Begleiter umsehen.« Wir gingen den Pfad entlang und ums Gebäude herum und sahen Licht vor uns, bogen dann nochmal ums Eck und kamen zu einem hellen, eingezäunten Hof, der von zwei Flutlichtern beleuchtet wurde.
    Er war noch immer mit Ziegeln gepflastert und senkte sich noch immer zu einem Gatter in der Mitte. Wagen glänzten, und ein Mann in braunem Kittel erhob sich von einem Schemel und kam näher.
    »Ist mein Süßer immer noch voll?« fragte sie ihn unbekümmert.
    »Ich fürchte, ja, Miss. Ich habe eine Decke über ihn gelegt und die Fenster hochgedreht. Es geht ihm gut, glaube ich.
    Braucht nur etwas Ruhe.«
    Wir gingen auf einen großen Cadillac zu, und der Mann im Kittel machte die Hintertür auf. Auf dem breiten

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