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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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geschafft.«
    »Ich werde sie heimbringen«, sagte ich.
    »Den Teufel werden Sie. Na, ich wünsch Ihnen jedenfalls viel Vergnügen. Soll ich Ihnen Ihren Bacardi eine Spur milder machen, oder mögen Sie ihn so, wie er ist?«
    »Ich mag ihn so, wie er ist, wenn ich ihn schon trinken muß«, sagte ich.
    »Da tränke ich lieber gleich Hustensaft«, sagte er.
    Die Menge teilte sich, und zwei Männer in Abendanzügen schoben sich hinaus, und ich konnte durch die Lücke ihren Nacken und ihre nackten Schultern sehen. Sie trug ein tiefausgeschnittenes Kleid aus stumpfgrünem Samt. Es wirkte zu schick für den Spielsaal. Die Lücke schloß sich wieder, und ich sah nur noch ihr schwarzes Haar. Die zwei Männer kamen durch den Saal und lehnten sich an die Bar und bestellten Scotch mit Soda. Der eine war erhitzt und erregt. Er wischte sich das Gesicht mit einem schwarzrandigen Taschentuch. Die seidenen Doppelstreifen an seinen Hosenbeinen waren breit wie eine Fahrspur.
    »Mann, so ńe Serie hab ich noch nicht erlebt«, sagte er mit zittriger Stimme. »Acht Gewinne hintereinander auf Rot, und zweimal ausgesetzt. Das ist Roulette, Mann, das ist Roulette.«
    »Mir ist ganz kribbelig«, sagte der andere. »Sie wirft einen Riesen pro Spiel. Sie kann einfach nicht verlieren.« Sie tauchten ihre Rüssel in die Gläser, gurgelten hastig und gingen zurück.
    »Wie weise doch die Menschen sind«, sagte der Barkeeper.
    »Einen Riesen pro Spiel, wa? Ich hab mal in Havanna soń altes Pferdegesicht gesehen ...«
    Der Lärm um den Mitteltisch schwoll an, und eine geschulte Ausländerstimme erhob sich darüber und sagte: »Wenn Sie sich bitte einen Moment gedulden wollen, Madame. Die Bank kann Ihren Einsatz nicht halten. Mr. Mars wird jeden Moment hier sein.«
    Ich ließ meinen Bacardi stehen und trottete über den Teppich. Das kleine Orchester begann ziemlich laut einen Tango zu spielen. Kein Mensch tanzte oder machte Miene zu tanzen. Ich drängte mich durch Grüppchen von Menschen in Smoking und kompletter Abendkleidung und Sportzeug und Straßenanzügen zum Tisch am linken Ende. Es wurde nicht mehr daran gespielt. Zwei Croupiers standen hinter ihm, steckten die Köpfe zusammen und schielten zur Seite. Der eine schob ziellos seinen Rechen über die leere Spielfläche hin und her. Beide starrten auf Vivian Regan.
    Ihre langen Wimpern zuckten, und ihr Gesicht war unnatürlich weiß. Sie saß am Mitteltisch, genau dem Rad gegenüber. Vor ihr lag ungeordnet ein Haufen Geld und Chips.
    Es schien eine Masse Geld zu sein. Sie sprach kühl, übellaunig, hochnäsig gedehnt mit dem Croupier.
    »Was ist das hier für ein schäbiger Verein, möchte ich gern wissen. Macht endlich Dampf und laßt die Kugel rollen, ihr Geizhälse. Ich will noch einen Einsatz, und ich spiele va banque. Ihr harkt es euch schnell genug weg, wie ich weiß, aber wenn ihr ausspucken sollt, dann kommen euch gleich die Tränen.«
    Der Croupier lächelte ein kaltes, höfliches Lächeln, das schon Tausenden von Flegeln und Millionen von Trotteln zugelächelt hatte. Er war groß, dunkel, gleichgültig und von makelloser Haltung. Er sagte ernst: »Die Bank kann Ihren Einsatz nicht halten, Madame. Sie haben über sechzehntausend Dollar vor sich liegen.«
    »Es ist euer Geld«, höhnte das Mädchen. »Wollt ihr es nicht zurückhaben?«
    Ein Mann neben ihr versuchte ihr etwas zu sagen. Sie wandte sich ihm rasch zu und spuckte ihm ein paar Worte entgegen, und er verschwand wieder mit rotem Kopf in der Menge. Hinter der Bronzegeländer-Einfriedung öffnete sich eine Tür in der Täfelung. Durch die Tür trat Eddie Mars mit aufgesetztem, gleichgültigem Lächeln auf dem Gesicht, die Hände tief in den Smoking-Taschen, die blitzenden Daumennägel draußen. Es schien seine Lieblingspose zu sein.
    Er schlenderte zu den Croupiers und blieb an der Ecke des Mitteltisches stehen.
    Er sprach mit träger Ruhe, weit weniger höflich als der Croupier. »Was gibt es denn, Mrs. Regan?«
    Sie wandte ihm mit einem Ruck das Gesicht zu. Ich sah, wie die Kurve ihrer Wange sich spannte, wie durch eine fast unerträgliche innere Verkrampfung. Sie antwortete ihm nicht.
    Eddie Mars sagte ernst: »Wenn Sie nicht mehr spielen, müssen Sie mir gestatten, daß ich Sie nach Hause bringen lasse.«
    Das Mädchen wurde rot. Ihre Wangenknochen standen weiß hervor. Dann lachte sie schrill auf. Sie sagte verbittert: »Ein letztes Spiel, Eddie. Alles, was ich habe, auf Rot. Ich liebe Rot.
    Es ist die Farbe des

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