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Der große Sprung

Der große Sprung

Titel: Der große Sprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Brackett
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wachsender Abneigung auf die näher kommende Mondscheibe.
    Warum, zum Teufel, wollte jemand einen Bilderbuchpalast auf diesem kahlen Totenschädel aufstellen? Man sagte, der alte Jonas habe es getan, um der Erde für immer den Reichtum und die Macht der Cochranes vor Augen zu halten, und auch, daß er den Mond nie verließ. Der alte Pirat mußte wirklich eine Schraube locker haben.
    Die Jacht schwang den Mondapenninen zu. Das Bild der schroffen Gipfel in vollem Licht war beeindruckend. Die wildromantische Schönheit der Mondoberfläche, dachte er, schlägt immer noch alles im ganzen Sonnensystem. Nur für schwache Nerven war sie nichts. Der gewaltige Krater Archimedes zeigte seine scharfen Zähne jetzt links von ihnen, und direkt voraus, auf einem Plateau auf halber Höhe eines kahlen Berges, blitzte etwas im Sonnenschein.
    »Das ist die Kuppel«, erklärte Sydna. »Wir sind bald da.« Sie war endlich zurückgekommen und trug jetzt eine weiße lange Hose und eine ebenfalls weiße seidene Hemdbluse. Sie beschäftigte sich noch mit ihrem Make-up. Ihre Stimme hatte nicht sehr glücklich geklungen.
    »Wenn es Ihnen hier nicht gefällt, warum kommen Sie dann immer wieder hierher?« fragte Comyn.
    Sie zuckte die Schultern. »Jonas will nicht fort. Deshalb müssen wir uns zumindest dann und wann einmal zeigen. Er ist schließlich immer noch das Familienoberhaupt.«
    Comyn blickte sie scharf an. »Sie haben Angst. Sie fürchten sich vor etwas hier.«
    Sie lachte. »So leicht jagt man mir keine Angst ein.«
    »Das glaube ich Ihnen«, sagte er ernst. »Aber jetzt ist Ihnen nicht wohl in Ihrer Haut. Wovor sind Sie weggelaufen, um sich in New York zu betrinken?«
    Sie blickte ihn düster an. »Vielleicht erfahren Sie es bald. Oder vielleicht führe ich Sie auch bloß geradewegs auf die Schlachtbank.«
    Er legte die Finger um ihren Hals – und gar nicht zärtlich.
    »Tun Sie es?«
    »Es wäre möglich, Comyn.«
    »Ich hab’ das Gefühl, daß es mir eines Tages leid tun könnte, daß ich diesen hübschen Hals nicht gleich hier und jetzt gebrochen habe.«
    »Vielleicht mir auch«, murmelte sie. Und dann überraschte sie ihn, denn sie wehrte sich nicht, als er sie küßte, sondern drückte sich fast panikerfüllt an ihn.
    Die ganze Sache gefiel ihm immer weniger, je tiefer die Jacht ging, um sich schließlich in sanftem Bogen der Hochebene über dem Mare Imbrium zu nähern. Wie ein glatter Berg aus Glas erhob sich die gewaltige, in der Sonne blitzende Druckkuppel. Und schon hatte ein Magnetschlepper sie angehängt und zog sie sicher durch eine Luftschleuse. Die schwere Schleusentür schloß sich hinter ihnen, und Comyn dachte: Hier wäre ich also – jetzt hängt es nur noch von den Cochranes ab, ob ich auch je wieder von hier wegkomme!
    Ein paar Minuten später fuhr er mit Sydna durch blühende Gartenanlagen, die sich über mehrere Morgen erstreckten, zu einem Gebäudekomplex, den er schon oft genug im Fernsehen und auf Abbildungen gesehen hatte. Das war des alten Mannes arrogantes Monument, das er sich selbst auf einer toten Welt gesetzt hatte. Der beispiellose Bau aus Mondgestein war von einem begnadeten Architekten so entworfen worden, daß der sich in die Mondlandschaft einfügte. Das Ergebnis war aufwühlend, unheimlich und – das mußte er zugeben – von fremdartiger Schönheit. Die Konturen strebten scharf empor und fielen ab, erstreckten sich gerade dahin und schwangen in phantastischen Kurven – so kühl wie die Gipfel, die sich über allem erhoben.
    Comyn folgte Sydna eine Freitreppe hoch zu einem Portikus von auffallender Einfachheit. Das Mädchen öffnete die Flügeltür aus einer schwach glänzenden Legierung.
    Die Halle dahinter war hoch und nüchtern und von gefiltertem Sonnenlicht erhellt. Wandbehänge, Teppiche und einige erlesene Sammlerstücke, aus dem gesamten Sonnensystem zusammengetragen, milderten die Strenge. Der weiße Stein des Gewölbes warf ein flüsterndes Echo ihrer Schritte zurück. Je weiter sie eindrangen, desto langsamer ging Sydna. Abrupt drehte sie sich um, als wollte sie die Flucht ergreifen. Comyn packte sie an den Schultern und fragte aufs neue:
    »Wovor haben Sie Angst? Ich möchte es wissen!«
    Aufreizend echote seine Stimme immer wieder wispernd von den Wänden. Sydna wehrte sich nicht gegen seinen Griff, aber sie blickte ihn nicht an und antwortete gezwungen gleichmütig:
    »Wissen Sie denn nicht, daß jede ordentliche Burg einen Geist beherbergt? Nun, wir haben hier einen, mit dem

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