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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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in Ekstase zu versetzen.«
    »Der weiße Lehm ist nicht dafür gedacht, zu berauschen. Das ist die erste Lehre von ›Iliyu‹ – daß manche Dinge dazu hergestellt werden, den Hersteller zu vervollkommnen.«
    »Diese Statuen?«
    »Der Lehm hat einfach deshalb die Form von Statuen, damit die Zollinspektion erleichtert wird. Die Statuen werden in Kanada als Kunstwerke an Bord gebracht, wir schicken sie an Indianer-Reservate hier in den Vereinigten Staaten. Die Medizinmänner verstehen sich darauf, dies Material mit gewöhnlichem Lehm zu mischen. Und diese Mischung haben Sie kennengelernt.«
    »Aber warum das? Des Geldes wegen?« Paul setzte an, die Hand zu heben und an die Nase zu halten, doch dann steckte er sie statt dessen in seine Hosentasche. »Hat Stier das wirklich nötig?«
    »Das Geld behalten die Indianer, und es ist sogar sehr wenig. Stier hat nur den Wunsch, daß die Menschen bereit seien, die Mischung zu benutzen, damit sie sich retten können.«
    »Sich retten, wovor?«
    »Vor dem Alkohol, vor dem Rauchen, vor LSD und Rauschgiften, die den Instinkt verzerren. Aber zuerst müssen sie ›Iliyu‹ verstehen, und darin wird Ihre wichtigste Aufgabe liegen.« Magdelaine ergriff einen kleinen Meißel und begann, mit seiner Spitze ein geometrisches Muster auf einer Lehmplatte einzuprägen. »Haben Ihre Studien auch die Werke der Alchimisten mit einbegriffen?«
    »Nur wenn Sie Einstein dazu rechnen …«
    »Es gehörte zur Ordnung derAlchimisten, genau ein und dasselbe Experiment gut tausendmal zu wiederholen – nicht nur, um das genaue Verhältnis von Materie herauszubekommen – sondern um ihnen eine Erholung möglich zu machen.«
    »Und ein bißchen Gold zu machen, wenn wir schon mal dabei sind!«
    »Für sie war Gold ein Adventus. Aber sie hätten noch den Adventus der Laute entdecken müssen. Das heißt, sie hätten einen Extrakt gewinnen müssen … die exakte Anordnung von Atomen, mit diesem System höchst geläuterter Substanzen …«
    Ihre Stimme wurde schleppend, bis sie in Schweigen versank. Paul studierte das Muster, das sie in den Lehm gezeichnet hatte. »Ist das diechemische Struktur des weißen Lehms?«
    »Es ist die notwendige Anordnung vieler Dinge. Einschließlich eines atomaren Krafterzeugers. Doch ehe wir das weiter untersuchen, möchte ich Ihnen den ersten Akt von Iliyu schildern.«
     
    Am gleichen Abend versuchte Paul, vor seiner Schreibmaschine sitzend, all das in eine Ordnung zu bringen, was Magdelaine ihm erzählt hatte. Die große Wanderung der Hopi-Indianer zum nördlichen Tor der Welt, den unendlichen Raum von Tokpela, von Palongawhoya, und den Widerhall der Schöpfung in Tönen. Die Menschen der vier Erdfarben und die Vereinigung mit dem Großen Geist durch die empfindlichen Stellen oben auf ihrem Kopf. Die angreifenden Rauschgifte des Westens, die passiven Rauschgifte des Ostens, den tödlichen Kampf von Iliyu, bis er die Umgestaltung von Stoff und Geist entdeckte …
    Nehmen wir also einmal an, daß eine unserer Wissenschaften schließlich die endgültige Formel entdeckt, und daß durch ihre Anwendung jeder Zufall, jedes Schicksal, jedes Ungefähr und Glück oder Unglück aus unserem Universum verbannt werden. Durch eine Verschiebung des Rechenschiebers erfahren wir, wie man Krebskranke heilt, Krieg beendet, alle Verbrechen abschafft und jedem von uns unbegrenzte Gesundheit, Wohlstand und Weisheit sichert.
    Daraus folgt, daß wir auch Entdeckungen, For schungen, Experimente und Spekulationen abschaffen – kurz gesagt all diese enttäuschenden Tätigkeiten, aus denen unser gegenwärtiges Leben besteht. Aber was dann? Unsere Formel bringt nicht nur gute Musik, gute Malerei, gute Ehen, gute Hustentropfen zustande, sondern die besten, die überhaupt möglich sind.
    Fehler jeglicher Art, Enttäuschung, Zweifel, Überraschung – all das wird unmöglich. Was würden wir dann tun? Eine akademische Frage? Es wird nie dahin kommen? Dann sind wir uns alle darüber einig, daß wir nach dem Unmöglichen streben (eine Feststellung, die uns von Künstlern seit langer Zeit kräftig eingeredet wurde) – aber wir erkennen doch die Correlarien unserer existentialen Geometrie an? (1) Unvollkommenheit strebt auf die Vollkommenheit zu mit der Hoffnung, sie nicht zu erreichen. (2) Erfolglosigkeit ist das Kennzeichen unseres Daseins. (3) Es ist nicht so, daß der Mensch Gott sein möchte, sondern Gott möch te Mensch sein.
    Unser Wille wird zu einem Pfeil, abgeschossen auf die Stelle, wo gestern ein

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