Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
Vom Netzwerk:
zu.
    Paul fing an, auf und ab zu gehen.
    Kleine Hexe, dachte er, Dummkopf!
    Das langte für Haiku.
    Er schenkte sich Wein ein und versuchte, die Vorstellung loszuwerden, daß er es in ein Buch über Logik steckte.
     
    Er hatte einen Schluckauf.
    Von einer lausigen Gallone kalifornischen Weißwein hatte er einen Schluckauf bekommen.
    Während er den regenglatten Abhang der Dexter Street hinaufging, hielt Paul den Atem an und probte für seine Bewerbung. Universitätsgrad. Nachprüfbar. Begabung für Logik. Londoner Universität, keine ge ringere. Geschick zum Schreiben. Eben der beste kleine olle Texter bei Gerner, Foss und Meyer, das war alles. Esoterische Schriften? In die konnte er eindringen (Tertium Organum). Mit einem Ball, der hinter seinem Rücken festgebunden war. Und was war das mit dem Verzicht auf die amerikanische Staatsbürgerschaft?
    Vier dreiundzwanzig Dexter Street hatte nur eine einfache Holztür, die Adresse war mit grünen Plastik-Buchstaben darauf angebracht. Über eine niedrige Treppe kam man in einen großen, fensterlosen Saal, ohne Tische oder Stühle für die eventuellen Mitglieder der Stiergesellschaft, die plaudernd in den vier Ecken des Raumes standen.
    Er sah auf seine Uhr. Achtzehn Uhr zwanzig.
    Er lehnte sich gegen eine Wand, stieß auf und sah sich in dem Raum um. Die Versammelten waren etwa so, wie er es erwartet hatte. In einer Ecke standen die alternden Jünger der Beat-Welle aus den fünfziger Jahren. Sie trugen abgelegte Militär Jacken, schmutzige Trenchcoats und Kordhosen, die an den Knien ausgebeult waren. Die Frauen hatten alle langes, ungepflegtes Haar; schwarze Sonnenbrillen verbargen die Runzeln zwischen den Wangen und den Augenbrauen.
    In einer anderen Ecke standen die Hippie-Graduates aus den siebziger Jahren. Sie trugen Zigeunerblusen, mexikanische Boleros, Capes und indianische Mokassins. Von den Mädchen trugen manche Omabrillen, und sie hatten sich alle Plastikblumen ins Haar gesteckt.
    Dann waren da noch Leute mit Prinzip, die durch ih re Krawatten und Anzüge auffielen, durch ihre frisch rasierten Gesichter und durch den Rauch ihrer Pfeifen, der nach verbrannten Äpfeln roch.
    Und schließlich eine düstere Schar von Leuten, mit den Narben von tausend Demonstrationen: für Bürgerrechte, Frieden, Love-ins, Be-ins, für Abtreibung und gegen Wählerscheiben mit einstelligen Zahlen. Einer aus dieser Gruppe, ein Mann mit einer schwarzen Anti-Kriegs-Plakette, kam zu Paul herüber.
    »Wissen Sie vielleicht, wann diese Veranstaltung eigentlich anfangen soll?« fragte er.
    Paul stieß auf und schüttelte den Kopf.
    »Einen Schluckauf gekriegt?«
    Paul nickte.
    »Stopfen Sie sich die Ohren zu.«
    »Die Ohren?«
    »Hilft immer.«
    Paul langte nach seinem Taschentuch und war dabei, zwei schmale Stoffstreifen abzureißen, als von der Decke des Saales eine Stimme herabdröhnte.
    »G UTEN A BEND , LIEBE L EUTE …«
    In der darauf folgenden Stille war Pauls Schluckauf im ganzen Saal zu hören. Er rollte die Stoffstreifen zu kleinen Kugeln zusammen und steckte sie sich in die Ohren.
    »S IND S IE SICH NICHT SCHON FRÜHER BEGEGNET ? S IE SIND DIE A NFÜHRER DER U NZUFRIEDENHEIT . M IT EINEM W ORT , S IE SIND V ERRÄTER …«
    Alles starrte zur Decke empor; dort war kein Lautsprecher zu sehen, nur ein rosa Gummischlauch, der in der Mitte gerade herunterhing.
    »S IE SIND ALLE GEGEN DEN K RIEG . H EUTE A BEND WIRD I HRE R EGIERUNG S IE FÜR I HRE O PPOSITION BELOHNEN . S IE WERDEN ALLE FÜR DAS W OHL I HRES L ANDES STERBEN .«
    Im Saal hörte man Rufe wie »er ist wahnsinnig«, und »Sehn wir doch zu, daß wir hier wieder herauskommen«; dabei strebten fast alle auf die Tür zu.
    »D IE T ÜR IST ZUGESCHLOSSEN , UND F ENSTER GIBT ES NICHT . S CHAUEN S IE ÜBER SICH … IN GENAU ZEHN S EKUNDEN WIRD DIESER KLEINE G UMMISCHLAUCH I HRE ENDGÜLTIGE B EFREIUNG BEWIRKEN . E R WIRD EIN G AS AUSSTRÖMEN , DAS GERUCHLOS , FARBLOS , OHNE G ESCHMACK IST , EIN G AS , DURCH DAS S IE LEBLOS ZU B ODEN FALLEN WERDEN . WAS SAGEN SIE NUN , MEINE AMERIKANISCHEN M ITBÜRGER ?«
    Es gab eine panische Flucht zur Tür hin. Paul preßte sich gegen die Wand und zog sich die Pfropfen aus den Ohren. Er hatte nicht gehört, was das sein konnte, das alle zum Ausgang stürzen ließ. Dann, als die Rufe und Schreie lauter wurden, horte er von oben aus dem Gummischlauch ein heftig zischendes Geräusch.
    Das Geräusch tat seinen Ohren weh; er stieß schnell die Pfropfen wieder hinein.
    Die Leute an der Tür fingen an,

Weitere Kostenlose Bücher