Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
Vom Netzwerk:
einer reinweißen Dose verpackt.
    1.95 Dollar
     
    Das primitive Plakat war an das farbige Fenster des ›Cat and Fiddle‹ geklebt. Drinnen hatte man die Barhocker vom Tresen weggeschoben; die Bar war mit weißen Pappschachteln beladen. Sorkin, mit einer weißen Schürze und einer weißen Küchenhaube zerkleinerte gerade eine Rolle Salami. Rachel war dabei, mit heiterem Gesicht ein gewaltiges Stück Pökelfleisch in Scheiben zu schneiden. Paul sah zur Uhr über der Bar auf. Vier Uhr siebenunddreißig.
    »Wo ist Crimp?« fragte Paul. »Sie sollte sich hier mit mir treffen.«
    »Da hinten«, gab Rachel zur Antwort und zeigte mit einem Messer in die Richtung.
    Crimp saß am Ende der Bar auf dem Fußboden, bis zum Hals in einen großen schwarzen Tuchbeutel gehüllt. Ihr Haar, kurz geschnitten und weiß gebleicht, war in graden Strähnen nach vorn gekämmt, als hätte jemand Kreidestriche auf ihrer Kopfhaut gezogen.
    »Und so wird Fiens-teer-nies mich umgeben!« wehklagte Crimp, »… von den drei Wohnsitzen, von den dreißig heiligen Orten, von den vierundzwanzig Pilgerstätten, Helden, Heldinnen, himmlischen Streitern und den Glauben schützenden Gottheiten, männlich und weiblich, Schädeltrommeln, Bannern aus Menschenhaut …«
    Paul nahm eine Scheibe Pökelfleisch von Rachel an und lehnte sich über die Bar, um ihr ins Ohr zu flüstern: »Was ist mit Crimp los?«
    »Sie sagt, heute abend wird sie sterben«, sagte Rachel und wischte die Messerklinge an ihrem Ärmel ab. »Sie rezitiert das tibetanische Totenbuch.«
    »Oh.«
    »… Dünste von Weihrauch aus Menschenfett und unzählige Arten von Musikinstrumenten, die alle Weltsysteme erfüllen und sie vibrieren, erbeben und erzittern lassen, mit Lauten, die so gewaltig sind, daß sie einem das Gehirn betäuben, und nach verschiedenen Taktentanzend, werden sie kommen, um die Treuen in Empfang zu nehmen und die Untreuen zu bestrafen …«
    »Wer hatte denn diese Idee?« Paul öffnete eine Pappschachtel und sah hinein.
    »Sorkin. Der arme Kerl versucht die Miete zu bezahlen, er macht einfach alles. Die Bar ist kein Geschäft, niemand trinkt mehr.«
    »Ein paar von uns sind noch übrig. Wo hast du den Gin?«
    »Du willst mir doch nicht erzählen, du wärst vom Lehm abgekommen!«
    »Sagen wir halt, mir tut vom Reiben die Nase weh. Wo ist die Flasche …«
    Rachel langte über einen Berg Weißbrot und legte die Finger um den nächsten Flaschenhals. »Siehst du, was ich meine? Bei dieser ist noch nicht mal das Siegel aufgebrochen.«
    Paul brach das Siegel auf.
    »... In diesen Strahlen wird der natürliche Klang der Wahrheit widerhallen wie tausend Donner. Der Klang wird mit einem rollenden Widerhall zurückkommen! Fürchte dich nicht. Fliehe nicht. Sei nicht entsetzt. Wisse, daß diese Töne aus den geistigen Gaben deines eigenen inneren Lichtes stammen …«
    »Wie lange ist sie schon so?« fragte Paul und trank.
    »Den ganzen Tag. Deshalb setzt sich niemand hin; sie kommen hier herein, kaufen eine Schachtel, werfen einen Blick auf sie und laufen weg. Übrigens, vor ungefähr einer halben Stunde hat irgendeine Mietwagen-Agentur angerufen. Sie sagte, du wolltest einen Rolls-Royce mieten.«
    »Ja. Einen weißen. Er wird um fünf Uhr hier sein.«
    »Nein, das wird er nicht. Deswegen haben sie angerufen, um dir zu sagen, daß sie nicht über die Brücke können. Zuviel Verkehr.«
    »Ach nicht doch …«
    »Was wolltest du denn mit einem weißen Rolls-Royce?«
    Paul stützte den Kopf auf die Hände, als Greek-O mahnend zur Tür hereinkam; die Riemen seines Motorrad-Helms baumelten herum wie die Ohren eines Cocker-Spaniels. »Du müßtest mal all das verdammte Volk draußen sehen! He, wo sind Kate, Furbish und die anderen?«
    »Die sind unterwegs den Berg rauf«, sagte Rachel.
    »Wie steht’s denn so, altes Ekel? He, der weiße Anzug, den du anhast, ist ja Klasse! Soll ich euch beide mit raufnehmen?«
    »Kein Auto zugelassen auf dem Berg«, sagte Paul langsam. »Außerdem kommst du mit dem Wagen gar nicht durch all die Leute durch.«
    »Richtig, verdammte Scheiße! Da fahren wir halt die hintere Straße rauf. Ich bin mit meinem Motorrad hier.«
    »Es gibt noch eine hintere Straße?« Pauls Gesicht erhellte sich.
    »Klar. Die alte Straße vom verdammten Mill Valley hoch. Du, ich und Rachel können auf dem Motorrad sitzen, und Crimp können wir in den Beiwagen werfen. Brauchen sie nicht mal aus ihrem verdammten Beutel rauszunehmen.«
    »Heureka!« Paul, jetzt frohlockend, steckte

Weitere Kostenlose Bücher