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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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drüben ein Haus gemietet. Gehn Sie ihn besuchen. An irgendeinem Abend nach der Arbeit. Ihre Tage halten Sie sich frei, damit Sie an HUMANUR arbeiten können. Renner hat sich gut darüber geäußert.«
    »Danke schön, Mr, Gerner.«
    Gerner rieb sich die Nase, kratzte sich am Kinn und blickte einmal wild rings durch den Raum, ehe er sich den grünen Schirm wieder über die Augen schob. »Das wär’s, Odeon.«
    Bis Paul seinen eigenen Schreibtisch wieder erreicht hatte, hatte er die Verantwortung für die Ahornblatt-Serie auf zwanzig Dollar Gehaltserhöhung pro Monat veranschlagt, die Erwähnung durch Renner Summers über HUMANUR auf weitere zehn Dollar, die zwei brillanten unbenutzten Halbdollarstücke auf genau einen Dollar. Die Akten des heutigen Tages waren als B plus einzustufen. Vielleicht sogar als A minus.
     
    Paul stand in eine Ecke des Aufzugs eingezwängt und wußte, daß er den Fünfunddreißiger Bus nur mit einem heftigen Dauerlauf erreichen würde. Während er das Countdown der aufleuchtenden gelben Stockwerksnummern beobachtete, atmete er tief und sog die schwindelerregenden Düfte von Pfeifentabak, getrocknetem Deodorant, feuchtem Kölnisch Wasser und Pfefferminz-Lifesavers in seine Lungen ein. Heute würde Paul Odeon den Grand Prix der Marktstraße gewinnen, nach einer wenig bekannten, aber unbekümmerten Meldung aus Sausalito.
    Die Aufzugstür öffnete sich mit einem Summton, das Schwenken einer bunten Flagge brachte ihn durch das Gesindel. Graue Anzüge liefen vor ihm her, er verkürzte seine Schritte; dabei ging er bis zum Ende der Sansome Street an den vor ihm Gehenden vorbei. An der Ecke des Marktplatzes begann er seinen Eilmarsch; er steuerte scharf nach innen, wand sich zwischen den vor ihm Gehenden hindurch und überholte rasch eine langsam schreitende Gruppe von Architekten des Phelan-Gebäudes. Er kämpfte sich bis auf wenige Zoll an eine rothaarige Sekretärin heran und lief in einem gewagten Manöver an ihr vorbei; dabei machte er in der letzten Sekunde eine Wendung, um nicht mit einer Reihe von Briefkästen zusammenzuprallen. Beim letzten Vorstoß zum Fährhaus gelang es ihm, das Tempo genügend zu drosseln; die Quadrate der Pflastersteine flogen wie Rahmen eines leeren Films vor seinen Augen vorbei.
    So ging Paul die sieben Häuserblocks entlang bis zur Bus-Endhaltestelle.
    Er setzte sich im Bus ganz nach hinten, wo er rauchen konnte, ohne erwischt zu werden. Außerdem verminderte das die Möglichkeit, daß er von einem Knallkopf aus Minnesota in den Hinterkopf geschossen wurde … wie das eine Mal vor noch nicht einem Monat, als so ein Bursche im Mill-Valley-Autobus direkt durch den Gang feuerte, dabei drei Ohrläppchen abriß und einen Schädel zertrümmerte, ehe er eine jun ge Nonne in die Hüfte traf.
    Er steckte sich eine Zigarette an und öffnete den Manila-Umschlag, den Gerner ihm gegeben hatte. Darin waren ein Brief, der den von der Agentur mit einem Schallplattenstudio abgeschlossenen Kommissions- und Gebührenvertrag erläuterte, sowie mehrere Zeitungsausschnitte. Paul breitete die Ausschnitte auf seinen Knien aus und las die Überschriften.
     
    R EKORD DER A USSERGEWÖHNLICHKEITEN
    KLETTERT IN DIE H ÖHE
    N AMENLOSE K LÄNGE GEWINNEN KRITISCHEN B EIFALL
    F ERNSEH -D EBUT DES GEHEIMNISVOLLEN
    K OMPONISTEN R ICHARD S TIER
    K ANADA BERAUSCHT DURCH S TIERMUSIK
    O PERNAUFFÜHRUNG VON S TIER
    IN S TRATFORD GEPLANT
    N EUROTISCHE S EX -S HOW – EIN S CHLAG
    FÜR S TRATFORD
     
    Den letzten Ausschnitt, eine Drahtmeldung von UPI, las Paul sorgfältig:
     
    »Nach der ersten Abendvorstellung einer Oper von Richard Stier, Kanadas mysteriöser Persönlichkeit, ist die schläfrige Stadt Stratford in Ontario, die Stätte des Stratforder Shakespeare-Festes, heute zu einer Brutstätte der Erregung geworden.
    Das Werk, ›Iliyu‹, wurde von den Kritikern fast einstimmig gelobt; doch die gesetzten Einwohner von Stratford, die sich an Shakespeares unzüchtige Partien und an die sommerlichen Possen nymphenartiger Schauspielerinnen gewöhnt haben, waren durch die Aufführung wie betäubt.
    Während einige mühsam einen Sinn zu finden suchten, waren die meisten sprachlos, als zu den zugegebenermaßen heidnischen Klängen des radikalen Komponisten nackte Frauen auf der Bühne tanzten.
    Nelson Prockett von der im allgemeinen konservativen ›New York Times‹ bezeichnete die Oper als ›die bedeutendste individuelle Schöpfung unserer Generation‹ und lobte die ›Tonführung und den Entwurf der

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