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Der große Stier

Der große Stier

Titel: Der große Stier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sanborn
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voll, mit den Stammgästen auf den Hockern, den Touristen an Tischen.
    Hinter der Bar lief Sorkin von einer Flasche zur andern, von einem Glas zum andern, vom Ausguß zum Abfalleimer; er rupfte Oliven und Zitronenstücke aus der Reihe von Apothekerkrügen vor seinen Knien, hob seine knochigen Finger hoch in die Luft, tauchte sie konzertant in Kübel mit Eisstückchen oder mit Spül wasser. Gelegentlich fluchte er auf Rachel, die lächel te, zwinkerte, träumerisch um die Tische herumging und mit ihren leichten Ledersandalen klatschende Geräusche hervorbrachte.
    Paul kreuzte die Beine unter seinem Hocker, um einem hochgewachsenen und bärtigen Neger Platz zu machen, der seiner blonden Freundin auf den Hocker neben ihm hinaufhalf, ohne seinen schützenden Griff auf ihre rechte Brust zu lösen. Sie legte ihre weiße Hand auf seine, er bedeckte sie mit seiner schwarzen, die sie wiederum mit ihrer anderen weißen Hand bedeckte.
    Weiter unten an der Bar rangen zwei Mädchen mit den Armen über, einem Aschenbecher voll brennender Streichhölzer, angestachelt durch eine schwangere Frau, die eine nicht gebrauchte Soldatenjacke trug. Am äußersten Ende befeuchteten zwei Jungen in engen Hosen und flaumigen Sweatern sich gegenseitig die Stirn, wozu sie ihre mit Monogramm versehenen Taschentücher in ihren Gin tauchten.
    Die Touristen an ihren Tischen sahen zu. Die Männer renkten sich die Hälse aus, die in steif gestärkten Kragen steckten, sie nippten Scotch, knipsten polierte Zigarettenanzünder an und machten Geräusche wie »poch poch poch«, wenn sie mit den Pfeifenköpfen gegen ihre rosigen und manikürten Hände schlugen. Die Frauen trugen Kleider, die sich beliebig oberhalb und unterhalb der Umrisse ihres Körpers spannten. Wenn sie die Beine übereinanderschlugen oder wieder nebeneinanderstellten, gaben ihre Oberschenkel seidi ge, wispernde Laute von sich; ihre Hände flogen wie erschreckte Schmetterlinge zu ihren Hinterköpfen an die Frisur, während sie Kaugummi oder, um zu necken, die weichen Innenseiten ihrer Wangen kauten.
    Paul quetschte die letzten Tropfen aus seiner Flasche, als Harvey von hinten her nach ihm packte.
    »Komm, Odeon!« Harveys Gesicht hatte die Farbe und Beschaffenheit von Tapioka.
    »Nun mal sachte, Harvey, ich kriege vor Freitag kein Geld …«
    »Lazio ist auf der anderen Straßenseite dabei, jemanden zu vergewaltigen, du sollst mir helfen, nachzusehn und ihn davon abzuhalten.« Er faßte in die Tasche seiner roten Lumberjacke, zog ein künstliches Gebiß heraus und schob es über den Bartisch. »Sorkin, schließ das in die Registrierkasse ein.«
    »Wem gehört das?« fragte Paul.
    »Lazio. Wenigstens kann er sie nicht beißen! Komm, gehn wir …«
    Der Südwind hatte einen dichten Nebel mitgebracht, so dicht, daß Paul nicht einmal die andere Straßenseite sehen konnte.
    »Wohin, Harvey?«
    »Zu dem Auto, da drüben unter dieser Straßenlaterne …«
    Als sie zu dem Kabriolett rannten, sah Paul nur Lazio, mit dem Rücken zum Steuerrad, wie er etwas, das eine Nerzstola zu sein schien, in lange, schmale Streifen zerriß. Als sie das Auto erreicht hatten, sah er, daß Lazios Füße fest auf den Schultern eines ziemlich fülligen Mädchens standen, das mit dem Gesicht nach unten über dem Sitz lag.
    »Laß das Mädchen in Ruhe, verdammt noch mal, Lazio!« Harvey versetzte Lazio mit beiden Händen einen Stoß gegen die Schultern, der harmlos abprallte. Lazio beugte sich nieder, riß die Arme des Mädchens auf ihrem Rücken zusammen und fing an, ihre Handgelenke mit einem Streifen Nerzpelz zusammenzubinden.
    »Ich habe gesagt, du sollst sie in Ruhe lassen!« Har vey sprang hin und her. »Hau ihm eine, Paul!«
    »Daß ihr ihn bloß nicht anrührt!« sagte das Mädchen vom Fußboden des Autos her. »Er ist ein erschreckter Vogel!«
    »Gibft du mir wohl meine Ftähne, du Ftörenflied!«
    »Der weiß nicht, was er tut!« brüllte Harvey.
    »Meine Ftähne!«
    Paul kletterte in den Rücksitz des Wagens. Harvey ging um den Wagen herum und setzte sich neben ihn.
    »Er hat den ganzen Tag Narkotika gehabt«, sagte Harvey. »Von Narkotika wird Lazio sehr unzuverlässig.«
    Lazio grunzte und fing an, dem Mädchen hinten den Rock aufzureißen.
    »Mein armer erschreckter Vogel«, sagte das Mädchen. »Ruhe deine Flügel aus, oh du Ruheloser ...«
    »Sie ist so ein Mädchen«, sagte Harvey, »ein verrücktes Mädchen. Sie kam zu den ›Two Turtles‹, als Lazio auf seiner Geige spielte und ich mein Gedicht

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