Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
gelassen. Wir haben es so gemacht, damit Sie nicht Nein sagen können. Wir möchten, dass Sie sie bekommen, denn Sie sind zäher als wir.«
Ich bedankte mich lachend, ging zum Bach und fischte die Dose heraus. Ich freute mich und fühlte mich geschmeichelt. Ich trank das Bier noch am selben Abend bei den Obsidian Falls, die nach den samtschwarzen, glasähnlichen Scherben benannt waren, die auf wundersame Weise den Trail bedeckten und bei jedem Schritt unter mir knirschten, als ginge ich über mehrere Schichten zerbrochenen Porzellans.
Weniger beeindruckt war ich am nächsten Tag, als ich über den McKenzie Pass in die Mount Washington Wilderness wanderte und die Basaltströme des Belknap Crater und des Little Belknap durchquerte. Schöne glänzende Gesteinsscherben gab es dort ebenso wenig wie frühlingsgrüne Wiesen. Der Pfad führte durch einen acht Kilometer breiten Streifen aus schwarzen Vulkansteinen, deren Größe zwischen einem Baseball und einem Fußball variierte, sodass ich mir ständig die Knöchel und die Knie verdrehte. Mühsam schleppte ich mich unter einer erbarmungslos sengenden Sonne durch die öde und kahle Landschaft in Richtung Mount Washington und atmete erleichtert auf, als ich auf der anderen Seite des Kraters endlich wieder unter Bäumen wandern konnte. Gleichzeitig fiel mir auf, dass die Massen verschwunden waren. Ich war wieder allein, allein mit dem Pfad.
Am folgenden Tag überquerte ich den Santiam Pass und gelangte in die Mount Jefferson Wilderness, so benannt nach dem dunklen und imposanten Berg, der im Norden zu sehen war. Ich wanderte an dem felsigen, aus mehreren Gipfeln bestehenden Three Fingered Jack vorbei, der wie eine gebrochene Hand in den Himmel ragte, und marschierte weiter bis zum Abend, als die Sonne hinter einer Wolkendecke verschwand und dichter Nebel aufkam. Es war ein heißer Tag gewesen, aber innerhalb von dreißig Minuten, in denen der Wind auffrischte und mit einem Mal wieder abflaute, fiel die Temperatur um nahezu fünfzehn Grad. Auf der Suche nach einem Lagerplatz wanderte ich so schnell ich konnte weiter, triefend vor Schweiß trotz der Kälte. Es dämmerte bereits, doch ich fand keine flache oder freie Stelle, wo ich mein Zelt aufbauen konnte. Als ich endlich neben einem Tümpel einen geeigneten Platz entdeckte, hüllte mich der Nebel wie eine Wolke ein, und um mich herum herrschte gespenstische Stille. Kein Lüftchen regte sich. Während ich das Zelt aufstellte und eine Flasche Wasser durch meinen unerträglich schwergängigen Filter pumpte, frischte der Wind wieder auf, und kräftige Böen peitschten die Äste der Bäume über mir. Ich habe keine Angst , rief ich mir in Erinnerung, als ich, ohne zu Abend gegessen zu haben, in mein Zelt kroch. Ich war im Gebirge noch nie in ein Unwetter geraten. Im Freien fühlte ich mich jetzt zu verletzlich, allerdings wusste ich, dass auch mein Zelt nur wenig Schutz bot. Ich saß angespannt und ängstlich da und wappnete mich gegen einen gewaltigen Sturm, der nicht kam.
Eine Stunde nach dem Dunkelwerden legte sich der Wind erneut, und ich hörte in der Ferne Kojoten heulen, als feierten sie, dass die Gefahr vorüber war. Der August war dem September gewichen. Nachts wurde es fast immer schneidend kalt. Mit Hut und Handschuhen schlüpfte ich aus dem Zelt, um zu pinkeln. Als ich mit der Stirnlampe die Umgebung ableuchtete, erfasste der Strahl etwas zwischen den Bäumen, und ich erstarrte. Aus dem Dunkel blickten mir zwei leuchtende Augenpaare entgegen.
Ich fand nicht heraus, wem sie gehörten. Im nächsten Moment waren sie verschwunden.
Der folgende Tag war heiß und sonnig, als wäre der seltsame Sturm in der Nacht nur ein Traum gewesen. Ich verpasste eine Weggabelung und entdeckte später, dass ich gar nicht mehr auf dem PCT war, sondern auf dem Oregon Skyline Trail, der ungefähr anderthalb Kilometer weiter westlich parallel zum PCT verlief. Er bildete eine Alternativroute, die in meinem Führer hinlänglich genug beschrieben wurde, und so wanderte ich unbesorgt weiter. Am nächsten Tag würde der Pfad auf den PCT zurückführen. Und am übernächsten würde ich am Olallie Lake sein.
Dann noch zwei Hüpfer, und ich hatte es geschafft.
Den ganzen Nachmittag wanderte ich durch dichten Wald, und als ich irgendwann um eine Kurve bog, standen plötzlich drei riesige Elche vor mir. Unter donnerndem Hufgetrappel flüchteten sie unter die Bäume. Am Abend, als ich gerade an einem Teich mein Lager aufschlagen wollte, tauchten
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