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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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benutzt.
    »Wir können die hier benutzen«, sagte ich, mir grimmig bewusst, dass ich Jodwasser würde trinken müssen, bis es mir gelang, den Filter zu reparieren, sofern das überhaupt möglich war.
    »Was ist das?«, fragte der Blonde.
    »Jod. Die gibt man ins Wasser und wartet dreißig Minuten, dann kann man es bedenkenlos trinken.« Ich ging zum Teich, tauchte an der klarsten Stelle, die ich erreichen konnte, meine beiden Trinkflaschen ein und gab in jede eine Jodtablette. Die Männer taten es mir mit ihren Pepsi-Dosen nach, und ich warf in jede eine Tablette.
    »Okay«, sagte ich und sah auf die Uhr. »Um zehn nach sieben ist das Wasser trinkbar.« Ich hoffte, dass sie nun weiterziehen würden, aber sie setzten sich hin und machten es sich bequem.
    »Was machen Sie eigentlich hier draußen so ganz allein?«, fragte der Blonde.
    »Ich wandere auf dem Pacific Crest Trail«, antwortete ich und bereute es sofort. Die Art, wie er mich ansah und unverhohlen meinen Körper taxierte, gefiel mir nicht.
    »Ganz allein?«
    »Ja«, sagte ich zögernd. Einerseits wollte ich nicht die Wahrheit sagen, andererseits fürchtete ich, dass mich eine Lüge nur noch nervöser machen würde, als ich es ohnehin schon war.
    »Nicht zu fassen, dass eine Frau wie Sie ganz allein hier oben ist. Sie sind viel zu hübsch, um allein hier zu sein, wenn Sie mich fragen. Wie lange sind Sie denn schon unterwegs?«
    »Ziemlich lange«, antwortete ich.
    »Kaum zu glauben, dass so ein junges Ding ganz allein hier draußen zurechtkommt, oder?«, fragte er seinen rothaarigen Freund, als wäre ich überhaupt nicht vorhanden.
    »Nein«, sagte ich, bevor der Rothaarige ihm antworten konnte. »Das kann jeder. Ich meine, es ist doch nur …«
    »Ich würde Sie nicht allein hier herauflassen, wenn Sie meine Freundin wären, soviel ist sicher«, sagte der Rothaarige.
    »Sie hat wirklich eine hübsche Figur, findest du nicht?«, sagte wieder der Blonde. »Sportlich, mit ein paar weichen Kurven. Genau so, wie ich es mag.«
    Ich gab einen höflichen Laut von mir, eine Art verhaltenes Lachen, obwohl mir plötzlich Angst die Kehle zuschnürte. »Tja, war nett, euch kennenzulernen, Jungs«, sagte ich und ging zum Monster. »Ich möchte noch ein Stück wandern, deshalb mach ich mich jetzt besser auf die Socken.«
    »Wir brechen auch auf«, sagte der Rothaarige und setzte seinen Rucksack auf. Der Blonde folgte seinem Beispiel. Ich behielt sie im Auge, während ich vorgab, mich zum Aufbruch zu rüsten, obwohl ich gar nicht die Absicht hatte zu gehen. Ich war hungrig und durstig, müde und durchgefroren. Es wurde bald dunkel, und ich hatte den Platz am Teich deshalb als Lager auserkoren, weil nach Auskunft meines Führers – der diesen Trail-Abschnitt nur oberflächlich beschrieb, da er eigentlich gar nicht zum PCT gehörte – im weiteren Verlauf der Strecke längere Zeit keine geeignete Stelle zum Zelten mehr kam.
    Als sie gingen, stand ich eine Weile da und wartete, bis der Kloß in meinem Hals verschwunden war. Alles in Ordnung. Ich war außer Gefahr. Ich hatte mich etwas albern benommen. Die beiden waren sexistische Unsympathen und hatten meinen Wasserfilter ruiniert, aber sie hatten mir nichts getan. Sie hatten sich nichts Böses dabei gedacht. Manche Typen wussten es einfach nicht besser. Ich packte den Rucksack aus, füllte den Kochtopf mit Teichwasser, warf den Kocher an und setzte das Wasser auf. Ich schälte mich aus den verschwitzten Klamotten und zog meine roten Fleece-Leggins und mein langärmeliges Hemd an. Ich breitete die Plane aus und schüttelte das Zelt aus der Hülle, da kreuzte plötzlich der Blonde wieder auf, und ich wusste sofort, dass alle meine Befürchtungen berechtigt gewesen waren. Ich hatte nicht ohne Grund Angst gehabt. Er war meinetwegen zurückgekommen.
    »Was ist los?«, fragte ich in gespielt gelassenem Ton, obwohl es mich in Angst und Schrecken versetzte, dass er ohne seinen Freund wiederkam. Es war, als wäre ich endlich auf einen Puma gestoßen und hätte mir in Erinnerung gerufen, allen Instinkten zum Trotz nicht davonzulaufen. Ihn nicht durch hastige Bewegungen zu reizen, ihn nicht zu provozieren oder zu erregen, indem ich ihm meinen Zorn oder meine Angst zeigte.
    »Ich dachte, Sie wollten noch ein Stück wandern«, sagte er.
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, erwiderte ich.
    »Sie wollten uns reinlegen.«
    »Nein, wollte ich nicht. Ich hab’s mir nur anders überlegt.«
    »Sie haben sich auch umgezogen«, sagte er

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