Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
auf dem Trail zwei Bogenjäger auf, die in Richtung Süden unterwegs waren.
»Haben Sie Wasser?«, platzte einer grußlos heraus.
»Das Wasser in dem Tümpel kann man nicht trinken, oder?«, fragte der andere, dem die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben stand.
Ich schätzte beide auf Mitte dreißig. Der eine war blond und drahtig, allerdings mit Bauchansatz, der andere rothaarig und von großer, kräftiger Statur. Beide trugen Jeans, große Jagdmesser am Gürtel und riesige Rucksäcke, an denen Bogen und Pfeile hingen.
»Das Teichwasser können Sie schon trinken, Sie müssen es aber vorher filtern«, antwortete ich.
»Wir haben keinen Filter«, sagte der Blonde, schnallte seinen Rucksack ab und stellte ihn neben einen Felsblock auf dem kleinen freien Platz zwischen Teich und Trail, auf dem ich hatte kampieren wollen. Ich hatte selbst gerade erst meinen Rucksack abgesetzt, als sie aufgekreuzt waren.
»Sie können meinen haben, wenn Sie wollen«, sagte ich, holte den Wasserfilter aus dem Rucksack und reichte ihn dem Blonden, der ihn nahm, zum schlammigen Ufer des Teichs ging und sich hinkniete.
»Wie funktioniert das Ding?«, rief er mir zu.
Ich zeigte ihm, wie man den Ansaugschlauch ins Wasser halten und die Pumpe gegen die Kartusche drücken musste. »Sie werden Ihre Trinkflasche brauchen«, fügte ich hinzu, doch er und sein rothaariger Freund sahen einander nur bedröppelt an und erwiderten, dass sie keine hätten. Sie seien nur für einen Jagdtag ausgerüstet. Ihr Pick-up stehe etwa fünf Kilometer von hier in einem Waldweg. Sie hätten sich in der Entfernung verschätzt und eigentlich schon längst dort sein wollen.
»Haben Sie etwa den ganzen Tag nichts getrunken?«, fragte ich.
»Wir hatten Pepsi dabei«, antwortete der Blonde. »Jeder ein Sechserpack.«
»Wir sind ja gleich bei unserem Wagen und brauchen nur etwas Wasser für das letzte Stück«, sagte der Rothaarige. »Wir sind am Verdursten.«
»Hier«, sagte ich, indem ich die Trinkflasche mit meinem restlichen Wasser – ungefähr einem Viertelliter – aus dem Rucksack zog und dem Rothaarigen gab. Er nahm einen kräftigen Schluck und reichte sie dann seinem Freund, der den Rest trank. Ich bedauerte sie, aber noch mehr bedauerte ich, dass sie hier bei mir waren. Ich sehnte mich danach, endlich aus den Stiefeln und den verschwitzten Kleidern zu kommen, das Zelt aufzubauen und das Abendessen zu kochen, damit ich mich in The Ten Thousand Things verlieren konnte. Außerdem waren mir diese Pepsi-Trinker mit ihren Bogen, ihren großen Jagdmessern und ihrem rüden Benehmen nicht geheuer. Mich beschlich ein ähnlich mulmiges Gefühl wie in meiner ersten Woche auf dem Trail, als ich in Franks Lastwagen saß und befürchtete, er könnte mir etwas tun, bevor er dann seine Lakritze hervorzog. Ich beruhigte mich mit dem Gedanken an diese Lakritze.
»Wir haben die leeren Pepsi-Dosen«, sagte der Rothaarige. »Wir können das Wasser in Ihre Flasche pumpen und dann in zwei Dosen umfüllen.«
Der Blonde hockte sich mit meiner leeren Trinkflasche und meinem Filter ans Ufer, und der Rothaarige nahm seinen Rucksack ab, wühlte darin und brachte zwei leere Pepsi-Dosen zum Vorschein. Ich stand daneben und sah ihnen zu, meine Arme um mich geschlungen, denn ich fror mit jeder Sekunde mehr. Die nassen Rückteile meiner Shorts, meines T-Shirts und meines BHs klebten inzwischen eiskalt an meiner Haut.
»Die Pumpe geht ziemlich schwer«, sagte der Blonde nach einer Weile.
»Sie müssen kräftig drücken«, sagte ich. »Bei meinem Filter ist das nun mal so.«
»Also ich weiß nicht«, erwiderte er. »Da kommt überhaupt nichts raus.«
Ich ging zu ihm und sah, dass er die Kartusche fast ganz unter Wassergedrückt hatteund die Mündung des Ansaugschlauchs im schlammigen Grund des seichten Teichs steckte. Ich nahm ihm den Filter ab, zog den Schlauch in klares Wasser und versuchte zu pumpen. Fehlanzeige. Der Schlauch war mit Schlamm verstopft.
»Sie hätten den Schlauch nicht in den Schlamm tauchen dürfen«, sagte ich. »Sie müssen ihn weiter oben ins Wasser halten.«
»Scheiße«, sagte er, ohne sich zu entschuldigen.
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte sein Freund. »Ich brauche unbedingt etwas zu trinken.«
Ich ging zu meinem Rucksack, zog das Erste-Hilfe-Set heraus und holte die kleine Flasche mit den Jodtabletten heraus. Seit jenem Tag an dem Froschtümpel auf der Hat Creek Rim, als ich selbst vor Dehydrierung halb hinüber war, hatte ich sie nicht mehr
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