Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
wenn ich darauf beharrte.
Ich kochte mir ein Abendessen und verkroch mich so bald wie möglich, lange vor dem Dunkelwerden, ins Zelt, nur damit ich drinnen sein konnte, auch wenn »drinnen« nur bedeutete, dass ich von dünnem Nylon umgeben war. Vor Beginn der Wanderung hatte ich mir vorgestellt, dass ich mich nur bei drohendem Regen ins Zelt zurückziehen und in den meisten Nächten unter den Sternen schlafen würde, aber darin hatte ich mich, wie in so vielem anderen, getäuscht. Jeden Abend sehnte ich mich nach dem Schutz des Zeltes, nur um wenigstens andeutungsweise das Gefühl zu haben, dass mich etwas vom Rest der Welt abschirmte, nicht etwa, um mich vor einer Gefahr zu schützen, sondern vor ihrer unermesslichen Weite. Ich liebte das schummrige, klamme Dunkel meines Zeltes, die heimelige Vertrautheit meiner wenigen Habseligkeiten, die ich jeden Abend um mich herum arrangierte. Ich holte Als ich im Sterben lag hervor, knipste die Stirnlampe an, rückte den Proviantsack unter meinen Waden zurecht und sprach ein kleines Gebet, dass der Bär, den ich am Nachmittag gesehen hatte – der Schwarzbär, wie ich betonte –, nicht mein Zelt zerfetzen möge, um ihn mir zu stehlen.
Als ich um elf von Kojotengeheul geweckt wurde, leuchtete meine Stirnlampe nur noch schwach, und der Faulkner-Roman lag aufgeschlagen auf meiner Brust.
Am Morgen konnte ich kaum aufstehen. Doch das war nicht nur am Morgen dieses vierzehnten Tages so. Die ganze letzte Woche war es mir so ergangen. Täglich kamen neue Schmerzen und Beschwerden hinzu, die es mir unmöglich machten, wie ein normaler Mensch zu stehen oder zu gehen, wenn ich aus dem Zelt kroch. Als wäre ich plötzlich eine uralte Frau, die hinkend den Tag anging. Ich hatte es geschafft, das Monster hundertfünfzig Kilometer weit durch schwieriges und bisweilen steiles Gelände zu schleppen, aber am Morgen konnte ich nicht einmal mehr mein eigenes Gewicht ertragen, die Füße empfindlich und geschwollen von den Strapazen des Vortags, die Knie zu steif, um das zu leisten, was ihnen normales Gehen abverlangte.
Ich war eine Zeitlang barfuß um mein Lager herumgelaufen, hatte gerade zusammengepackt und wollte aufbrechen, als von Süden zwei Männer auf dem Trail auftauchten. Wie Greg begrüßten sie mich mit Namen, noch bevor ich ein Wort gesagt hatte. Sie hießen Albert und Matt und waren Vater und Sohn. Sie stammten aus Georgia und wanderten den gesamten Trail ab. Albert war zweiundfünfzig, Matt vierundzwanzig. Beide hatten bei den Pfadfindern den höchsten Rang des Eagle Scouts erreicht, und man sah es ihnen an. Sie verströmten eine Grundanständigkeit und eine soldatische Korrektheit, die im krassen Gegensatz standen zu ihren struppigen Bärten, ihren staubverkrusteten Waden und der strengen Duftwolke, die sie im Umkreis von zwei Metern umgab, sobald sie sich bewegten.
»Herrjeh«, entfuhr es Albert, als er das Monster erblickte. »Was haben Sie denn da drin, junge Frau? Wohl so ziemlich alles bis auf die Küchenspüle.«
»Nur Wandersachen«, erwiderte ich, vor Scham errötend. Ihre Rucksäcke waren etwa halb so groß wie meiner.
»Ich wollte Sie nur aufziehen«, sagte Albert freundlich, und dann plauderten wir über den brütend heißen Trail hinter und den gefrorenen vor uns. Dabei erging es mir genauso wie bei der Begegnung mit Greg: Ich war ganz aufgeregt vor Freude, obwohl in ihrer Gegenwart nur noch deutlicher wurde, wie unzureichend ich auf die Wanderung vorbereitet war. Ich spürte ihre Blicke und las in ihren Augen, was sie dachten, wenn sie meinen grotesken Rucksack musterten oder registrierten, wie lückenhaft meine Kenntnisse des Wanderer-ABC waren. Doch andererseits erkannten sie auch an, dass viel Mut dazugehörte, es allein bis hierher zu schaffen. Matt war ein wahrer Hüne,gebaut wie ein Linebacker im Football. Seine rotbraunen Haare kräuselten sich weich über seinen Ohren und glänzten golden an seinen gewaltigen Beinen. Er war nur zwei Jahre jünger als ich, aber schüchtern wie ein Kind. Die meiste Zeit überließ er seinem Dad das Reden und hielt sich etwas abseits.
»Verzeihen Sie die Frage«, sagte Albert, »aber wie oft urinieren Sie am Tag bei dieser Hitze?«
»Äh … ich habe nicht gezählt. Sollte ich denn?« Schon wieder fühlte ich mich als der Wildnisneuling entlarvt, der ich war. Hoffentlich, so dachte ich, hatten sie letzte Nacht nicht in der Nähe kampiert und mein Gekreische wegen der Ameisen gehört.
»Im Idealfall siebenmal«, sagte
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